Kein Schulstartgeld für Taferlklassler, die keinen EU-Pass haben? Dem künftigen Welser Bürgermeister schwebt das vor.

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Frage: Keine Sozialleistungen für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten: Mit diesem Vorschlag ließ der künftige Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) aufhorchen. Welche Folgen hätte das für die Betroffenen?

Antwort: Finanziell hätte es keine gravierenden Auswirkungen – der Großteil der Sozialleistungen fällt ja nicht in die Kompetenz der Gemeinden. Laut einer STANDARD- Nachfrage beim Bürgermeister in spe wären zudem ohnehin nur zwei Leistungen betroffen: die sogenannte Schulbeginner-Unterstützung einerseits und der Weihnachtszuschuss andererseits. Das Schulstartgeld lag zuletzt bei 78 Euro einmalig pro Erstklassler, der Weihnachtszuschuss bei 100 Euro für die erste und 50 Euro ab der zweiten begünstigten Person im Haushalt. Schon jetzt wird der Zuschuss nicht an alle verteilt: Nur wer seit mindestens zwei Jahren in Wels wohnt und unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt, kommt infrage.

Frage: Darf eine Gemeinde Menschen aus EU-Drittstaaten eigentlich pauschal von allen Sozialleistungen ausschließen?

Antwort: Nein. Laut der EU-Daueraufenthaltsrichtlinie haben Zugewanderte aus Nicht-EU-Ländern ebenso Anspruch auf Sozialleistungen wie EU-Bürger. Voraussetzung ist, dass sie seit über fünf Jahren ununterbrochen rechtmäßig hier gelebt haben. Dieses Gleichbehandlungsgebot trifft nicht nur den Bund und die Länder, sondern gilt auch für Sozialleistungen der Gemeinden – also auch für Schulstartgeld oder den Weihnachtszuschuss in Wels. All diese Leistungen dürfen lang aufhältigen Drittstaatsangehörigen grundsätzlich nicht vorenthalten werden.

Frage: "Grundsätzlich" bedeutet vermutlich, dass es dann doch wieder Ausnahmen gibt?

Antwort: Ja. Unter gewissen Bedingungen dürfen Zuschüsse auf ein Minimum reduziert werden. Für Sozialleistungen, die nicht an strenge Bedarfsprüfungen geknüpft sind, gelte dies jedoch nicht, sagt der Wiener Jurist und Diskriminierungsexperte Volker Frey. Konkret bedeutet das: Sollte das Schulstartgeld mit weniger strengen Bedingungen verbunden sein als die Mindestsicherung, so dürften auch Drittstaatsbürger nicht davon ausgeschlossen werden. Einen ähnlichen Fall gab es im Vorjahr in Tirol: So gab das Bezirksgericht Innsbruck im Jänner 2014 einer kroatischen Familie recht, der im Jahr 2012, also vor dem EU-Beitritt Kroatiens, das Schulstartgeld in Tirol verweigert worden war. Die Familie hatte die Behörde geklagt. Laut Gericht lag ein Verstoß gegen die EU-Daueraufenthaltsrichtlinie vor.

Frage: Was aber, wenn Wels die Sozialleistungen gar nicht von der Herkunft abhängig macht, sondern beispielsweise von Deutschkenntnissen? Dann kann ja niemand behaupten, dass er oder sie wegen der Herkunft diskriminiert wird.

Antwort: Das kommt darauf an. Auch das Abstellen auf Deutschkenntnisse kann diskriminierend sein. Dann nämlich, wenn klar ist, dass Nicht-EU-Ausländer ungleich stärker davon betroffen sind. Sollte sich also herausstellen, dass das Gebot, Deutsch zu erlernen, nur dazu dient, um über Umwege Zuwanderer zu benachteiligen, dann würde auch das den Antidiskriminierungsgesetzen widersprechen.

Frage: Warum gibt es dann schon jetzt Gemeinden – etwa auch Wels –, in denen die Vergabe von Sozialwohnungen an das Bestehen von Deutschtests geknüpft ist?

Antwort: Vereinfacht gesagt: Weil sich noch niemand gefunden hat, der deswegen geklagt hat. Das geschah wohl auch deshalb nicht, weil die Regelungen nur wenige Menschen betreffen. Um überhaupt eine Sozialwohnung zu bekommen, müssen Zugewanderte ja ohnehin meist die sogenannte Integrationsvereinbarung erfüllt haben – und diese beinhaltet bereits einen mehrstufigen Deutschtest. In der Praxis haben solche Einschränkungen laut Frey daher meist "eher symbolische Wirkung".

Frage: Hätte es denn auch nennenswerte Einsparungseffekte für die Gemeinde Wels?

Antwort: Das ist unwahrscheinlich. Laut Rabl lagen die Ausgaben der Stadt für Schulstartgeld und Weihnachtszuschuss im Jahr 2013 bei insgesamt 269.000 Euro, wobei der Bürgermeister in spe nicht beziffern kann, wie viel davon an Drittstaatsbürger ging. Zum Vergleich: Für Schuldendienst wendet Wels heuer knapp fünf Millionen Euro auf. Der Anteil der Drittstaatsbürger an der Stadtbevölkerung liegt derzeit bei 13 Prozent, Nummer eins sind Menschen aus Bosnien-Herzegowina. (Maria Sterkl, 19.10.2015)