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Eine Straßenbahnstation in Jerusalem – die israelischen Behörden haben die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt.
Der Anschlag auf die zentrale Busstation der südisraelischen Stadt Beer-Schewa am Sonntagabend sah zunächst nach der Aktion einer organisierten Terrorzelle aus: Es fielen viele Gewehr- und Pistolenschüsse, Augenzeugen sprachen von zwei Attentätern. Inzwischen ist aber klar, dass wieder ein "einsamer Wolf" zugeschlagen hatte – diesmal kein Palästinenser aus Ostjerusalem oder dem Westjordanland, sondern ein 21-jähriger Beduine mit israelischer Staatsbürgerschaft. Er tötete einen jungen Soldaten, nahm sich dessen Waffe und verletzte durch Schüsse und Stiche rund zehn Passanten und Soldaten, ehe er von Polizisten erschossen wurde.
Wachmann tötet Unschuldigen
Einen tragischen Fehler beging dabei ein Wachmann der Busstation: Er hielt einen schon angeschossenen Migranten aus Eritrea für einen Terroristen und feuerte nochmals gezielt auf ihn. Der völlig harmlose 26-jährige Afrikaner verstarb später im Krankenhaus.
Mehr noch als diese im Chaos unterlaufene Fehleinschätzung sorgte das Verhalten einiger Umstehender für Empörung. Auf Aufnahmen von Überwachungskameras ist zu sehen, wie sie den in seinem Blut liegenden Mann traten, mit Sesseln bewarfen und beschimpften. Sie hielten den Schwerverletzten, der jedenfalls keine Gefahr mehr dargestellt hätte, für einen Angreifer. Laut israelischen Medien will die Polizei jene Männer ausforschen, die an dem "Lynchversuch" beteiligt waren.
Waffennachfrage steigt
Der Zwischenfall war ein weiteres Indiz dafür, dass unter der Wirkung der fast täglichen Anschläge die Nerven in Israel blank liegen. Waffengeschäfte verzeichnen eine drastisch gestiegene Nachfrage nach Pistolen. Die Kriterien für die Erlangung eines Waffenscheins wurden gelockert, die Prozedur dauert trotzdem Monate. Zur Sicherung des öffentlichen Verkehrs in Jerusalem werden hunderte zusätzliche Wachbeamte ausgebildet, vorerst übernehmen Soldaten die Aufgabe.
Verwirrung um Barrieren
Dass die Polizei am Sonntag begonnen hatte, in Jerusalem hohe Betonbarrieren aufzustellen, die einen arabischen von einem jüdischen Bezirk trennen, hat in Israel Verwunderung und Debatten ausgelöst – es wirkte wie ein erster Schritt zu jener "Teilung Jerusalems", die von allen bisherigen israelischen Regierungen abgelehnt wurde. Wie sich bald herausstellte, war die Regierung nicht informiert worden, Premier Benjamin Netanjahu ordnete an, die Maßnahme zu unterlassen.
Immer öfter hört man von Experten nun die Einschätzung, dass die Gewaltwelle noch lange andauern könnte. Eine entscheidende Frage lautet, ob es bei den amateurhaften Attacken bleibt oder ob Terrorzellen beginnen, Selbstmordanschläge mit Sprengsätzen zu organisieren. Sprecher der radikalen Palästinensergruppe Hamas riefen zuletzt immer wieder zu einer Intifada auf. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 19.10.2015)