Andreas Rabl ist kein Extremist, zumindest nicht für FPÖ-Verhältnisse. Wenn der künftige Bürgermeister von Wels in Oberösterreich Nicht-EU-Bürgern Sozialleistungen streichen will, dann setzt er nur um, was die Freiheitlichen längst in ihre Programme geschrieben haben. Da soll jetzt bitte kein Protestwähler aus allen Wolken fallen: Wer "denen da oben" mit einer blauen Stimme eins auswischt, kauft von jeher eine Portion Politik mit, die Ausländer zu Bürgern zweiter Klasse machen will.

Neu, und damit für die Mittelschicht verführerisch, ist nur die samtpfötige Art, auf der die alten Ideen daherkommen. Mit bildungsbürgerlicher Eloquenz trägt Rabl, Typus Schwiegermutterliebling, seine Forderungen vor, packt sie hinter die Fassade eines scheinbar differenzierten Konzepts. Nein, Strafen wolle er keine, beteuert er, bloß Anreize, um Unwillige zur Integration zu motivieren.

Ist das denn so verwerflich? Immerhin sieht das Sozialsystem schon jetzt Schranken für Zuwanderer vor. Selbst für EU-Bürger gilt, sofern sie nicht bereits fünf Jahre im Land sind, bei der Mindestsicherung etwa der Grundsatz: keine Arbeit, keine Leistung.

Dies hat auch seinen Sinn. Dürfte jeder Neuankömmling ad hoc um die Mindestsicherung ansuchen, wäre die Gefahr des gezielten Sozialtourismus innerhalb der EU tatsächlich nicht von der Hand zu weisen.

Die freiheitlichen Pläne bergen allerdings keinen solchen notwendigen Lenkungseffekt, sie sind pure Schikane. Kein Rumäne wird wegen des Schulstartgeldes von einmal 78 Euro im Jahr nach Wels gezogen sein. Ebenso wenig werden konservative muslimische Familien schlagartig zu gestandenen Oberösterreichern nach Vorstellung Rabls mutieren, nur weil der Bürgermeister mit der Streichung dieser Leistung droht.

Integrationsprobleme sind zu kompliziert, um derart simplen Mechanismen zu gehorchen. Ja, es gibt Zuwanderer, denen man eine gewisse Resistenz attestieren kann: in traditionelle Rollenbilder verhaftete Familienväter etwa, die ihre Töchter partout nicht in eine höhere Schule schicken wollen, oder sich abkapselnde Jugendliche, die nach vielen Jahren im Land auf Deutsch immer noch radebrechen. Doch mehr als am Willen scheitert Integration an den mangelnden Möglichkeiten – von fehlenden Jobs und Bildungschancen bis hin zu blanker Diskriminierung.

Umso wirkungsloser – und perfider – sind die FP-Pläne angesichts der von Rabl genannten Kriterien: Ausländer sollen etwa erst dann eine Chance auf städtische Sozialleistungen erhalten, wenn sie bereits fünf Jahre hier sind und davon vier Jahre gearbeitet haben. Als hätte es ein Arbeitssuchender allein in der Hand, in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit einen Job zu finden.

Auch aus einer Gesamtsicht ist das blaue Anliegen ungerecht, denn Zuwanderer sind schon bislang nicht die Profiteure des Sozialstaats, für die sie landläufig gehalten werden. Laut einer Studie von 2008 zahlen Ausländer sogar verhältnismäßig mehr ins System ein, als sie herausbekommen.

Selbst wenn es bei markigen Worten bleiben sollte, weil EU-Richtlinien Benachteiligungen nicht ohne weiteres erlauben: Schon Rabls Ankündigung allein richtet Schaden an. Indem der Lokalpolitiker Zuwanderer gezielt kurzhalten will, gibt er ihnen das Gefühl, von der Mehrheitsgesellschaft nicht als vollwertig akzeptiert zu werden. Jene Abkapselung in Parallelgesellschaften, die er scheinheilig beklagt, fördert Rabl damit selbst. (Gerald John, 19.10.2015)