Thomas Flögel: "Meine Spieler müssen sich Grundlagen, wie Verschieben und Absichern wieder ins Gedächtnis rufen."

FAC/Mathias Slezak

FAC-Interimstrainer Flögel will Freude und Emotionen auf dem Platz sehen.

FAC/Mathias Slezak

Von 2012 bis 2014 trainierte Flögel die Damen des USC Landhaus.

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Für den Floridsdorfer AC läuft es nicht nach Plan. Mit einer Ausbeute von zwei Punkten aus 14 Spielen nimmt der 2014 in die Erste Liga aufgestiegene Verein den letzten Tabellenplatz ein. Der Rückstand auf den rettenden achten Rang beträgt 13 Zähler. Seitdem Peter Pacult Ende September das Handtuch geworfen hat, betreut Thomas Flögel die Mannschaft interimistisch. Voraussichtlich bis zur Winterpause. Als er das Amt übernommen hatte, war der ehemalige Coach der FAC-Amateure erst seit knappen drei Wochen Pacults Co-Trainer. Für den einstigen Schottland-Legionär ist es die erste Trainerstation bei einem semiprofessionellen Verein.

STANDARD: Der FAC liegt abgeschlagen auf dem letzten Platz. Macht Ihnen das Angst?

Flögel: Wenn ich mich fürchten würde, hätte ich das Traineramt nicht übernommen. Beim FAC hat niemand Angst. Hier hat eine neue Zeitrechnung begonnen, nun gilt es so viele Punkte wie möglich zu ergattern. Genauso wichtig ist es, dass sich die Spieler und das Trainerteam weiterentwickeln. Wir haben auch versucht, die Atmosphäre in der Mannschaft zu verbessern.

STANDARD: Was wurde getan, um die Stimmung aufzuhellen?

Flögel: Mir war es wichtig, auch abseits des Trainings zusammen etwas zu unternehmen. Mannschaft, Vorstand und Betreuer waren zum Beispiel gemeinsam Abendessen. Solche Aktivitäten schweißen die Mannschaft zusammen. Das Problem ist ja, dass sie sehr spät zusammengekommen ist. Deshalb war es nicht so leicht gleich die richtige Mischung zu finden.

STANDARD: Stammspieler wie Swete, Durmus, Demic, Pittnauer und Pecirep haben den Verein verlassen. Sind die Abgänge mit ein Grund für das schlechte Abschneiden?

Flögel: Das Problem liegt eher darin, dass die Mannschaft so spät zusammengefunden hat. In der Vorbereitung haben wir noch den einen oder anderen Spieler getestet. Wenn sieben wichtige Spieler gehen und viele neue hinzukommen, ist es aber auch klar, dass man etwas Zeit benötigt, um eine funktionierende Mannschaft zu formen.

STANDARD: Der FAC hält bei neun Treffern und 31 Gegentoren. An welcher Baustelle werden Sie zuerst arbeiten?

Flögel: Die zweite Baustelle ist größer. Andererseits geht es im Fußball auch darum, Tore zu schießen. Bisher haben wir uns zu wenige Möglichkeiten erarbeitet. Ich möchte, dass meine Mannschaft aus einer gesicherten Defensive agiert, um zum Torerfolg zu kommen. Nach den letzten Partien hat es immer geheißen: Die haben gut gespielt, aber trotzdem nicht gewonnen. Für mich kann eine Mannschaft nur dann gut spielen, wenn sie Tore erzielt.

STANDARD: Wie soll Ihre Handschrift aussehen? Schottische Härte oder die feine Klinge, für die Sie in den 1990er Jahren bei der Wiener Austria bekannt waren?

Flögel: Als Spieler habe ich beides kennengelernt (lacht). Als Trainer schaut man sich von seinen Kollegen immer gewisse Sachen ab. Daraus entwickelt man eine eigene Philosophie. Für mich war Fußball immer mit Emotionen, Motivation und Freude verbunden. Diese Sachen will ich auf dem Platz sehen.

STANDARD: Welches System bevorzugen Sie?

Flögel: Ich bin erst seit ein paar Wochen Trainer der Kampfmannschaft, deshalb habe ich ihr noch nicht meinen Stempel aufdrücken können. In den bisherigen Spielen habe ich vieles aus der Grundformation des 4-4-2-Systems übernommen. Meine Spieler müssen sich Grundlagen, wie Verschieben und Absichern wieder ins Gedächtnis rufen. Viele glauben, dass sie eh fast alles spielen können und vergessen dabei auf die Basics. Erst wenn man die grundlegenden Dinge beherrscht, kann man neue Formationen lernen.

STANDARD: Sie haben gesagt, dass man sich als Trainer von Kollegen beeinflussen lässt. Gibt es Trainer, die Sie besonders stark inspiriert haben?

Flögel: Mein Mentor war Damir Canadi. Mit ihm habe ich eine Firma gehabt, die Vereinen Individualtrainings angeboten hat. Natürlich beobachte ich den einen oder anderen internationalen Trainer, wie Pep Guardiola oder José Mourinho. Es mag vermessen klingen, wenn ich sage, dass ich so arbeiten möchte wie sie. Man achtet aber trotzdem darauf, wie sie sich verhalten, die Mannschaft taktisch einstellen, mit ihren Spielern und der Presse umgehen.

STANDARD: Was fasziniert Sie an Mourinho?

Flögel: Dass er seinen eigenen Weg geht, obwohl er ständig kritisiert wird. Auch wenn er nicht immer den attraktivsten Fußball spielen lässt, hat er viele Erfolge gefeiert. Mich beeindruckt seine starke Persönlichkeit.

STANDARD: Sie haben fünf Jahre in Schottland bei Heart of Midlothian gespielt. Diese Zeit haben Sie als die schönste in ihrer Karriere bezeichnet.

Flögel: Mich fasziniert die Einstellung der Briten zum Fußball. Der Sport ist für viele Menschen dort fast schon lebensnotwendig – man könnte sagen, eine Religion. Die Fans leben dafür, sich am Wochenende ein Ticket für ein Fußballspiel zu kaufen. Gelingt ihnen das, sind sie Helden. Auf der Insel werden viele Spieler nicht bloß bewundert, sondern auch respektiert. In Österreich hingegen wird vieles bewundert aber wenig respektiert.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Flögel: Solange ein Spieler gut spielt, wird er bewundert. Werden seine Leistungen schlechter oder hört er auf, ist der Respekt plötzlich weg. Damit ein ehemaliger Spieler als Trainer oder in irgendeiner anderen Funktion respektiert wird, muss er sich das redlich verdienen. Fußballspieler genießen auf der Insel einfach einen höheren Stellenwert.

STANDARD: Können Sie sich noch an Ihr erstes Meisterschaftsspiel in Schottland erinnern?

Flögel: Heute sage ich Gott sei Dank, als Spieler sagte ich noch leider (lacht). Wir haben gegen die Glasgow Rangers gespielt, damals hatte ich keine Ahnung, wie stark die wirklich sein können. Ich habe im Mittelfeld gegen Jörg Albertz gespielt. Mit der Partie war ich dann so überfordert, dass ich in der Halbzeit vom Platz musste.

STANDARD: Überfordert von der berüchtigten schottischen Härte?

Flögel: Mir ist alles viel zu schnell gegangen. Albertz ist mir wie ein fünf Meter großer Titan vorgekommen. Ich bin dann in der gesamten zweiten Halbzeit unter der Dusche gestanden, weil ich mich erst einmal fangen musste. Ich habe mich gefragt, was ich hier eigentlich mache. Danach habe ich drei Monate lang in der Reserve gespielt. Dort haben mich die 16-jährigen Burschen auf dem Platz eingeteilt. Ich musste ja erst die Abläufe des 4-4-2-Systems lernen, weil wir bei der Austria noch mit Libero gespielt haben. Danach ist mir der Durchbruch gelungen.

STANDARD: Wie haben Sie gelernt mit der körperbetonten Spielweise umzugehen?

Flögel: Ich habe mit Krafttraining und Boxen begonnen. Ich habe gewusst, dass ich mich unbedingt im körperlichen Bereich verbessern muss. Als ich von der Austria gekommen bin habe ich nur 67 Kilo auf die Waage gebracht. Es gab für mich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sehe ich mich als Opfer oder ich arbeite eigenständig an meinem Körper. Das war damals noch nicht üblich.

STANDARD: Zweieinhalb Jahre haben Sie die Frauenmannschaft des USC Landhaus Wien betreut. Was nehmen Sie aus dieser Zeit mit?

Flögel: Damals habe ich vor allem gelernt, Kompromisse einzugehen. Frauen haben in vielen Bereichen andere Bedürfnisse als Männer. Was die fußballerische Qualität betrifft, lässt sich die damalige Mannschaft mit einer männlichen U17-Auswahl vergleichen, Es war auf jeden Fall eine gute Erfahrung.

STANDARD: Welche Kompromisse mussten Sie eingehen?

Flögel: Als ich dort Trainer war, waren die Frauen des USC Landhaus im körperlichen Bereich noch nicht so weit, dass man ihnen alles abverlangen hätte können. Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um eine Amateurtruppe gehandelt hatte. Da musste man in den Spielen schon auf die eine oder andere Leistungsträgerin verzichten, weil sie arbeiten oder für die Schule lernen musste. (Kordian Prokop. 22.10.2015)

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