Göttingen/Linz – Einem deutsch-österreichisches Forscherteam ist es gelungen, das Rätsel rund um einige ungewöhnlich gefärbte Fossilien zu lösen: Ob es sich – wie angenommen – tatsächlich um fossile Kalkrotalgen handelt, ist nicht gesichert. Ebenso wenig war bis vor kurzem klar, was die Ursache für die rosarote Schattierung der Überreste aus dem Jura vor über 150 Millionen Jahren sein könnte.
Erst unter Einsatz von modernsten analytischen Methoden konnten die Forscher der Universität Göttingen, des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie Göttingen (MPI-BPC) und der Universität Linz den atomaren Aufbau der fossilen Farbstoffe entschlüsseln – und sie erlebten dabei eine Überraschung: Die Substanzen weisen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einem erst kürzlich entdeckten modernen Antibiotikum auf.
Die Forscher verglichen die Borolithochrome genannten fossilen Substanzen mit heutigen Naturstoffen. Dabei zeigte sich, dass es nur eine einzige bekannte Substanz mit einer vergleichbaren chemischen Struktur gibt: das gegen multiresistente Krankenhauskeime wirksame Antibiotikum Clostrubin. "Die große Ähnlichkeit mit dem heutigen Antibiotikum, das erst im vergangenen Jahr in einem Bakterium entdeckt wurde, beweist, dass die fossilen Substanzen nach mehr als 150 Millionen Jahren noch nahezu unverändert erhalten sind und ursprünglich wahrscheinlich auch von einem Bakterium produziert wurden", sagt Klaus Wolkenstein vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen.
Kaum veränderte Baupläne
"Die Bestimmung der chemischen Strukturen anhand der winzigen noch erhaltenen Substanzmengen war eine echte Herausforderung", so Han Sun vom MPI-BPC. Dass man bei den Borolithochromen dieselbe von der Aminosäure Isoleucin abgeleitete Konfiguration fand, zeigt nach Ansicht der Forscher ihren biologischen Ursprung. Die im "Journal of the American Chemical Society" präsentierten Ergebnisse bieten einen einzigartigen Einblick in die Naturstoffvielfalt in der Urzeit und zeigen, wie wenig sich Baupläne von funktionellen Naturstoffen im Laufe der Evolution verändert haben. "Niemand hätte erwartet, derart perfekt erhaltene Naturstoffe in den fossilen Überresten eines Organismus aus der Jura-Zeit vorzufinden", so Wolkenstein. (red, 21.10.2015)