Cartoon: Oliver Schopf

Wien – In Zeiten niedriger Zinsen und hoher Wohnkosten würde man eigentlich erwarten, dass der Wohnbau in Österreich boomt. Doch Jahr für Jahr werden rund 5000 Wohnungen weniger gebaut als benötigt, was neben dem Zuzug von Migranten entscheidend zum Anstieg der Mieten vor allem in den Ballungsräumen beiträgt.

Auf dem 53. STANDARD-Wohnsymposium waren sich vergangene Woche die Referenten und Diskutanten einig, dass es viel helfen würde, wenn mehr Geld in den Wohnbau fließen würde. Doch woher soll dies kommen, von der öffentlichen Hand, dem privaten Finanzmarkt oder gar aus dritter Quelle? Über diese Frage wurde unter dem Titel "Steuergeld oder Sparschwein" in der Wirtschaftskammer Österreich heftig diskutiert.

Hoffen auf Wohnbauinitiative

Für Karl Wurm, Bundesobmann des Gemeinnützigenverbands, ist der Staat gefordert, mehr Mittel in den sozialen Wohnbau zu pumpen. Immer weniger Menschen könnten sich angesichts stagnierender Einkommen und steigender Mieten das Wohnen leisten, und dies trage viel zum Unmut in der Bevölkerung bei, der sich auch in den jüngsten Wahlen niedergeschlagen habe. "Steuergeld oder Sparschwein? Die Antwort ist klar: Wir können uns das Sparen nicht mehr leisten. Dafür gibt es zu viele Herausforderungen." Der Kapitalmarkt könne vor allem im unteren Preissegment keine Abhilfe leisten, das müsse die öffentliche Hand tun.

Wurm hofft dabei auf die von der Koalition vereinbarte Wohnbauinitiative, auf die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel in den Ländern, auf eine Lockerung der Förderrichtlinien, um so die ständig steigenden Kosten zu bremsen, und auf eine bessere Mobilisierung bestehender Grundstücke. Doch auch er räumt ein, dass die EU-Fiskalregeln große öffentliche Initiativen erschweren.

Frisches Geld könnte aus Europa kommen, genauer gesagt von der Europäischen Investitionsbank (EIB), die mit 700 Millionen Euro über fünf Jahre eine neu zu gründende Wohnbauinvestitionsbank speisen soll. Davon erhofft sich die Branche sechs Milliarden Euro an neuen Geldern für 30.000 Wohnungen. Nicht unrealistisch, aber ehrgeizig, hieß es.

Zweckbindung: Pro ...

Umstritten blieb auf der vom Fachmagazin "Wohnen Plus" mitorganisierten Veranstaltung die Frage, ob der Bund im nächsten Finanzausgleich die Länder wieder dazu zwingen soll, die Mittel aus den Wohnbauförderungsbeiträgen der Arbeitnehmer sowie die Rückflüsse aus geförderten Darlehen ausschließlich für Wohnbau zu verwenden, wie das bis 2008 der Fall war. Seither fließen diese 1,6 Milliarden Euro ohne Zweckbindung in die Landesbudgets.

Hannes Gschwentner, früher SP-Landeschef in Tirol und jetzt Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol, verglich die Zweckentfremdung der Wohnbaumittel mit Steuerbetrug. "Wenn der Gesetzgeber eine Zweckbindung verspricht und dann später sagt: 'Ist eh wurscht, bauen wir halt Seebühnen mit dem Geld', dann ist das ein Betrug am Steuerzahler." Selbst im angeblichen Musterland Tirol schrumpfe das Sozialkapital im Wohnbau von Jahr zu Jahr.

Ebenso deutlich trat Josef Muchitsch, Sozialsprecher der SPÖ, für die Rückkehr der Zweckbindung ein. Man habe sich gegen die Abschaffung "viel zu wenig gewehrt", sagte der Gewerkschafter. Die Koalition habe dies vereinbart, nun müsse man das halten.

... und Kontra

Anton Matzinger, Abteilungsleiter für Finanzausgleich im Finanzministerium, ist hingegen skeptisch. Die Länder würden ohnehin viel mehr für Wohnbau ausgeben, als sie vom Bund erhielten. Da drohe eine reine "Reticketierung". Matzinger: "Als Budgetist bin ich grundsätzlich gegen die Zweckbindung von Mitteln, aber manchmal ist sie angemessen." Man müsse das mit den Ländern genau überprüfen.

Michael Klien, Wohnbauexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut, hält es für "entbehrlich, eine fadenscheinige Zweckbindung in den Finanzausgleich hineinzubringen" .Denn: "Wenn Wohnbau Landessache ist, dann sollen die Landespolitiker entscheiden, wie viel für Wohnbau ausgegeben wird. Sie wissen über den Bedarf besser Bescheid." Und andere Ziele wie Infrastruktur und Energieeffizienz seien ebenso wichtig wie der Wohnbau.

Sinnlose Eigenheimförderung

Klien kritisiert vor allem die Förderung des Eigenheimbaus, von dem vor allem Gutverdiener profitierten, die auch ohne Zuschuss bauen würden. "Hier gibt es massive Mitnahmeeffekte, die Förderung bringt wenig zusätzliche Nachfrage und Jobs." Auch im gemeinnützigen Sektor sei die soziale Treffsicherheit zu niedrig, denn zu viele Fördermittel gingen an die Mittelschicht. (Eric Frey, 21.10.2015)