Die Brücke zwischen angemessener Qualität und Leistbarkeit – wie in der neuen Anlage "Wohn_Zimmer" im Wiener Sonnwendviertel – wird immer schwieriger zu schlagen sein.

Foto: Robert Newald

Wien – In den frühen 2000er- Jahren wurden noch zwei Drittel des mehrgeschoßigen Neubaus in Österreich mit Förderungen errichtet. Heute sind es, wie der Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm ausführte, bloß 44 Prozent. "Noch dramatischer ist die Entwicklung in Wien: Belief sich das Verhältnis gefördert/freifinanziert damals noch auf 76 zu 24, so hat es sich in den letzten Jahren auf 37 zu 63 umgekehrt", berichtete Wurm. Und da die Durchschnittsmiete im freien Markt mit 14 Euro/m² fast doppelt so hoch liege wie bei geförderten Wohnungen, gebe es immer weniger leistbaren Wohnraum, warnte Wurm. Doch gleichzeitig wachse die Bevölkerung in den Städten schneller denn je – eine für den Markt leistbarer Wohnungen fatale Entwicklung.

"Steuergeld muss her"

Hier müsse es zu einer Umkehr kommen, forderte Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA). "Der freie Markt schafft die Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum nicht." Das könne man am Vergleich mit dem marktwirtschaftlichen Großbritannien sehen, das mehr Geld pro Bewohner ausgibt, aber weniger Wohnungen errichtet. "Das ist ein Indiz für die Effizienz unseres Systems", sagte er.

In das gleiche Horn blies Hannes Gschwentner, Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol. In manchen Bundesländern wie etwa in Kärnten finde fast kein geförderter Wohnbau mehr statt, weil die Wohnbaumittel in andere Kanäle flössen. "Am Ende müssen leistbare Wohnungen herauskommen, und dafür muss Steuergeld her."

Mehr Chancen für kapitalmarktfinanzierten Wohnbau sieht Gertrude Schwebisch, die Leiterin des großvolumigen Wohnbaus der Erste Group. Gerade in Wien müsse man sich neue Lösungen überlegen und verschiedene Quellen privater Mittel anzapfen, "große Anleihen, die Vergabe von Baurechten, Kooperationen mit Immobilien-AGs", so Schwebisch.

Bankenaufsicht als Hürde

Allerdings sei für die Banken die Finanzierung von Wohnbau durch die neuen Eigenkapitalvorschriften und die strikten Auflagen der europäischen Bankenaufsicht schwieriger geworden. Dies mache den Vorteil der derzeit niedrigen Zinsen zunichte. Schwebisch ortet bei den EU-Bankenaufsehern wenig Verständnis für die österreichischen Gegebenheiten: "Es ist in Europa sehr schwer, den geförderten Wohnbau zu erklären, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ist überhaupt ein Fremdwort."

Abhilfe aber könnte die aus europäischen Mitteln finanzierte neue Wohnbaubank bringen, hofft Schwebisch. Wie Anton Matzinger, Abteilungsleiter im Finanzministerium, erklärte, ist der Plan für die neue Institution fast fertig. "Der Wirtschaftsminister wird ihn bald vorstellen, und dann geht es in die Umsetzungsphase."

Gehbauer wies darauf hin, dass es solche Initiativen auch in der Vergangenheit gegeben habe, diese aber weniger als erhofft gebracht hätten. "Was stabil eingesetzt wurde, war die Wohnbauförderung selbst."

Deshalb wäre es das Wichtigste, deren langsamen Schwund zu stoppen und diese Mittel wieder aufzustocken.

Stopp dem "Qualitätshype"

Mehr Fördermittel allein würden allerdings keinen leistbaren Wohnraum bringen, wenn die Kosten im gemeinnützigen Wohnbau weiter stiegen, warnte Wurm und verwies auf strengere bautechnische Auflagen, den Zwang zur Energieeffizienz und wachsende Qualitätsanforderungen. Wurm: "Der Qualitätshype im geförderten Wohnbau muss ein Ende haben. Im Vordergrund sollen wieder verstärkt die Leistbarkeit des Wohnens und die Wirtschaftlichkeit der Wohnbauprojekte stehen."

Noch krasser formulierte die Krise im geförderten Wohnbau Jörg Wippel, Chef des privaten Bauträgers wvg: "Wir bauen am Markt vorbei. Der Wohnbau für Niedrigverdiener ist durch den Wegfall der Substandardwohnungen verloren gegangen." (ef, 21.10.2015)