Der "Vierkant-Hof", ein Niedrigenergie-Aufbau, wurde von den Architekten von Querkraft ersonnen. Über den Sommer sind die ersten Bewohner eingezogen, langsam nehmen sie die Außenflächen in Besitz.

Foto: Zoidl

Nur wenigen Besuchern des Auhofcenters im 14. Bezirk werden die knallig roten Balkonblumen auffallen, die man nur dann sieht, wenn man ein paar Schritte vor dem Haupteingang den Blick schräg nach oben in Richtung Dach richtet.

Normalerweise sind auf dem Dach eines Einkaufszentrums bloß Entlüftungs- und Lichtschächte zu finden. Mit der Erweiterung des Auhofcenters sind aber 71 geförderte Mietwohnungen entstanden. 25 davon sind "Smart" -Wohnungen mit kompakten Grundrissen. Die Wohnungen sind auf drei Stockwerken rund um einen vom Lärm aus dem Einkaufszentrum und von der Straße verschont gebliebenen Innenhof gruppiert, auf dem es Sitzbänke, Grünflächen und einen Spielplatz gibt.

2000 Vormerkungen

65 der Wohnungen sind bereits vermietet, die übrigen sollen in den nächsten Tagen vom Wiener Wohnservice vergeben werden. Vom Erfolg des Projekts war Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA), überrascht: 2000 Vormerkungen für die Wohnungen habe es innerhalb kurzer Zeit gegeben.

Familie Orsolic ist Mitte August in ihre Maisonettewohnung eingezogen. Gleich bei der Wohnungstür steckt hinter der Sprechanlage ein Foto von der Schlüsselübergabe im Juli, bei der jeder Mieter mit Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) abgelichtet wurde. Die Vorstellung, auf dem Dach eines Einkaufszentrums zu wohnen, habe ihnen sofort gefallen, erzählen sie. Zum Einkaufen waren sie schon immer hergekommen. Ein Vorteil für die Jungfamilie: Luna, die zehn Monate alte Tochter, kann auf dem Spielplatz im Innenhof unbehelligt vom Verkehr spielen. Einzig eine Schaukel fehle. Auch für den noch sehr kahlen Gemeinschaftsraum, den sie künftig für Kindergeburtstage nützen wollen, wünschen sie sich noch Möbel.

Nur 25 der Mieter haben einen Pkw-Stellplatz angemietet, sagt Gehbauer – eine Zahl, die überrascht. Fast eine Stunde braucht man nämlich mit Öffis aus der Innenstadt hierher. Die Bushaltestelle befindet sich zwar direkt vor dem Haus, die nächste S-Bahn-Station ist aber einen zehnminütigen Fußmarsch entfernt. In anderen Projekten würden bis zu zwei Drittel der Mieter einen Stellplatz benötigen, sagt Gehbauer. Viele der Bewohner würden aber im Auhofcenter und in der Umgebung arbeiten und daher kein Auto brauchen. Die Parkplätze sind von jenen der Einkaufenden getrennt. "Die Mieter wollen einen fixen Stellplatz. Wenn man das durchmischt, wird es schwierig", ist Gehbauer überzeugt. Auch einen direkten Zugang zum Einkaufszentrum gibt es nicht, um zu vermeiden, dass Fremde in den Wohnbereich kommen.

Zahlreiche Hürden

"Beide Seiten haben viel Fingerspitzengefühl benötigt", berichtet der Eigentümer des Auhofcenters, Peter Schaider. Ziel sei gewesen, Einkaufszentrum und Wohnen in "verträglicher Form" zu verbinden. Er glaubt, dass ein Projekt wie das Auhofcenter nur dann möglich ist, wenn sich alle Entscheidungsträger gut kennen.

Denn Hindernisse gab es genug: "Man muss zwei Geschoße Einkaufszentrum überwinden, um zum Wohnen zu kommen", sagt Gehbauer. "Das sind schon mehr Kosten als auf der grünen Wiese." Auch für die erwähnten Lüftungsanlagen, die normalerweise dort untergebracht sind, wo heute Kinder spielen, musste eine Lösung gefunden werden. Sie wurden schließlich auf die Dächer anderer Auhofcenter-Bereiche verbannt – auch das sorgte für Mehrkosten. Lichtschächte, mit denen Tageslicht in den Shoppingtempel transportiert werden soll, wurden inmitten des Innenhofs platziert, ebenso wie eine Brandrauchentlüftung, die noch begrünt werden soll.

Rechtliche Herausforderung

Auch juristisch war das Projekt eine Herausforderung: Vom Eigentümer, der Auhof Center Besitz und Betrieb GmbH, wurde der WBV-GPA auf 35 Jahre ein Baurecht eingeräumt. Danach kann der Eigentümer die Wohnungen kaufen. Die Bauphase sei "knapp bemessen" gewesen, so Gehbauer, denn die Wohnungen mussten gleichzeitig mit der Erweiterung des Centers entstehen. Innerhalb von elf Monaten wurden die Wohnungen fertiggestellt.

"Eins zu eins" gebe es so ein Projekt nicht noch einmal, sagt Gehbauer. Immer öfter gibt es aber Projekte, bei denen leistbares Wohnen über Retailflächen geplant wird, etwa auf einem Supermarkt in Wien-Donaustadt. "Man soll das nicht überschätzen", sagt Gehbauer aber. "Damit wird nicht die Masse an neuen Wohnungen entstehen." Bedarf an Wohnraum sei in der Gegend aber vorhanden, so Schaider: Viele Menschen würden Wohnungen suchen, aber keine finden. Freie Dächer gäbe es zumindest noch genug, wie ein Blick in die Nachbarschaft zeigt. Vielleicht lohnt es sich in Zukunft öfter, den Blick zu heben – nicht nur wegen der Blumen. (Franziska Zoidl, 21.10.2015)