
Nicht leicht, um Hits eine Story zu bauen: Christian Struppeck bastelt rund um Fendrich-Songs das Musical "I am from Austria".
STANDARD: Was lernt man eigentlich daraus, dass Ihre Einstandsproduktion, "Natürlich blond", unter den Erwartungen blieb?
Struppeck: Das Stück lief drei Jahre in London, zwei in New York. Es war in sieben Ländern ein Hit, und auch hier war's eine erstklassige Produktion. Die Leute vom Broadway meinten, sie sei handwerklich besser als New York. Es war wohl nicht der richtige Stoff, wobei es über 100.000 Zuschauer gab. Mamma Mia und Der Besuch der alten Dame hatten mehr Zuspruch. Mary Poppins ist ein Traum, die Auslastung liegt nach mehr als einem Jahr bei 94 Prozent.
STANDARD: Die strukturellen Rahmenbedingungen Ihrer Arbeit haben sich verbessert?
Struppeck: Wir haben in den nächsten drei Jahren jedenfalls Planungssicherheit, was die Subventionen anbelangt. Wir bekommen 2015 42 Millionen Euro, 2016 41 Millionen, 2017 40 Millionen, also jedes Jahr weniger. Eine Herausforderung. Aber wir müssen weit vorausplanen, was vor dieser Dreijahresregelung hieß: Zuerst Spielplan erstellen, dann die Finanzierung klären, die ja bisher immer nur für ein Jahr fixiert wurde – und das erst im Dezember des Vorjahres! Insofern ist das jetzt besser. Bei den Produktionen versuchen wir, flexibler zu sein. Die Laufzeiten kann man nicht mehr für mehrere Jahre veranschlagen, auch wollen wir Vielfalt bieten. Wenn aber eine Produktion wie Mary Poppins so gut läuft, dann wird verlängert. Klar ist: Wir wollen Broadway-Qualität bieten, deshalb müssen die Stücke schon mindestens einige Monate laufen.
STANDARD: Gibt es irgendwo ein Repertoire-Musical-Haus, das praktisch täglich Stücke wechselt?
Struppeck: Meines Wissens nein. Würde man so etwas hier probieren, bräuchte man andere Strukturen, mehr Personal. Es würde noch viel mehr kosten, und man könnte trotzdem nicht den Standard einer Longrun-Produktion bieten.
STANDARD: Aber Sie präsentieren auch kleinere, semikonzertante Produktionen wie jetzt ab Freitag die Gala "We are Musical".
Struppeck: Ja, es ist eine aufwendige Revue, sie wird viermal gezeigt, wir gingen in die Archive, es war aufregend. Wir spielen auch aus dem Udo-Jürgens-Musical Helden, Helden von 1973, da haben wir die einzige Partitur restauriert. Das Ganze zu recherchieren ist emotional, irgendwer ist immer den Tränen nahe, wenn er an eine Produktion erinnert wird, bei der er dabei war. Und: Ich bin auch froh über die zusätzlichen Konzerte des Orchesters der VBW, das auch außerhalb unserer Häuser aktiv ist. So ein Orchester muss man lange suchen. Wir machen zu Ostern 2016 im Raimundtheater dann auch Händels Messias in der konzertanten Rockfassung Messiah rocks.
STANDARD: In szenischen Bereich haben Sie als nächstes "Evita"?
Struppeck: Das kommt im März 2016, Regie und Choreografie stammen von Vincent Paterson. Er hat 17 Jahre lang mit Michael Jackson zusammengearbeitet, zehn Jahre mit Madonna, er hat für Lars von Triers Film Dancer in the Dark choreografiert. Ein Weltstar. Wie lange Evita laufen kann? Das ist die Gretchenfrage. In jedem Fall bis Sommer 2016, und erstklassig muss es sein.
STANDARD: Danach kommt die Uraufführung von "Schikaneder"?
Struppeck: Das Stück kommt am 30. 9. im Raimundtheater, genau am Tag der Uraufführung der Zauberflöte. Die Musik schreibt Stephen Schwartz, ich das Buch.
STANDARD: Für die Zeit Ihrer Intendanz beziehen Sie keine Tantiemen für Stücke, die Sie nach Wien holen und für die Sie das Buch verfasst haben?
Struppeck: Genau. Ich verzichte zugunsten des Theaters. Alles andere empfände ich auch als seltsam. Es ist vielleicht ungewöhnlich, aber ich wollte das so.
STANDARD: Weitere Stücke, die sicher kommen?
Struppeck: I am From Austria wird eine Wiener Gegenwartskomödie. Es ist ein Jukebox-Musical, basierend auf Songs von Rainhard Fendrich, der nicht mitspielt. Es ist für mich eine Denksportaufgabe: Es ist schwerer um Hits herum eine Story zu bauen als ein neues Buch zu verfassen. Und Fendrich will natürlich ein vernünftiges Stück. Beim Dritten Mann war die Filmfirma, die die Rechte besitzt, nicht leicht zu überzeugen, es in Wien zu spielen. Sie wollte das in London oder New York starten. Es ist uns gelungen, sie zu überzeugen. Casanova schließlich wird nicht die Lebensgeschichte schildern. Es wird eine große romantische Show. Die Musik stammt von Frank Wildhorn.
STANDARD: Diese Pläne reichen ja über Ihre Amtszeit hinaus?
Struppeck: Ja, und ob ich das alles bis Anfang 2017 schaffe, wird man sehen! Ich kann aber nicht auf das Planen verzichten – auch meine Vorgänger haben das nicht getan.
STANDARD: Sie würden wohl gerne weitermachen – auch nach 2017?
Struppeck: Natürlich! Die Arbeit macht mir Spaß, eigentlich immer mehr. Wenn es eine Ausschreibung für den Posten gibt, dann werde ich mich selbstverständlich bewerben. Ich bin ja über so ein Verfahren auch zum Zug gekommen. (Ljubisa Tosic, 22.10.2015)