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Wer stottert, würde oft am liebsten nur noch schweigen, sagt Georg Goller, Gründer der Österreichischen Selbsthilfe-Initiative Stottern (ÖSIS). Er selbst konnte lange Zeit aufgrund seines Handicaps nicht telefonieren.

Foto: dpa / Uli Deck

Das Telefon war früher ein Folterinstrument für ihn, sagt Georg Goller und hält inne. Nach einer kurzen Pause fährt er fort: "Eine Zeit lang dachte ich, der einzige Weg ist es zu schweigen, mich aus der sozialen Kommunikation völlig zurückzuziehen."

Goller stottert. Oder besser gesagt: Er leidet seit seiner Kindheit an dieser Sprechstörung. Der heute 62-Jährige hat deshalb bereits zahlreiche Therapien hinter sich. Vor 25 Jahren gründete er die Österreichische Selbsthilfe-Initiative Stottern (ÖSIS). Inzwischen bemerkt ein Außenstehender sein Leiden bloß noch, weil er manchmal in einem Satz kurz stockt, überlegt, erst dann wieder weiterspricht.

Männer häufiger betroffen

Mit dem Problem ist er nicht allein: Rund ein Prozent der Erwachsenen leidet an Stottern – Männer häufiger als Frauen, aber unabhängig von ihrer Muttersprache, ihrem Kulturkreis oder einer sozialen Schicht. Aristoteles soll gestottert haben, genauso Isaac Newton, Winston Churchill, selbst Marilyn Monroe hatte in ihrem Privatleben mit der Sprechstörung zu kämpfen.

Stottern ist eine unwillkürliche Verkrampfung, durch die der Sprechablauf behindert wird. Die Verarbeitung von Nervensignalen und somit das Zusammenspiel von Atmung, Stimmgebung und Artikulation ist zeitweise gestört. Oft kommen krampfartige Körperbewegungen hinzu. Die Gründe für das Leiden sind vielfältig: Es können psychosoziale oder organische Faktoren sowie auch Vererbung eine Rolle spielen.

Ein Hilferuf

Der Großteil der Betroffenen beginnt bereits im Vorschulalter mit dem Stottern, selten entwickelt sich das Handicap erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter – dann zumeist nach Traumata. "Stottern ist oft ein Hilferuf und eine massive Belastung, gesellschaftlich wird diese Sprechbehinderung aber nicht ernst genommen und oft eher belächelt", sagt Goller.

Ihm habe vor allem eine Psychotherapie geholfen, seine Sprechbehinderung zu akzeptieren und damit zu leben. Durch die Selbsthilfegruppe wisse er von mehreren Fällen, wo die Krankheit Menschen in den Suizid getrieben habe. "Psychologische Betreuung wird von der Krankenkasse nur teilweise übernommen. Der Zugang zu Therapie sollte wesentlich erleichtert werden."

In die Augen schauen

Gollers Empfehlung für den Umgang mit stotternden Menschen: Nicht anders agieren als beim Sprechen mit "Normalredenden", dem Betroffenen Zeit lassen und ihm während der Unterhaltung in die Augen schauen. "Stottern schwächt das Selbstbewusstsein eines Menschen, darum sollte die Umgebung besonders achtsam sein."

Welche Begriffe oder Sätze Betroffenen besonders Schwierigkeiten bereiten, ist übrigens absolut individuell. Das Wort "Stottern" selbst sei aber jedenfalls eine Herausforderung, sagt Goller ganz flüssig – und grinst. (Katharina Mittelstaedt, 23.10.2015)