Wartende am Grenzübergang Spielfeld am Freitagnachmittag.

Foto: C. M. Schmidt

Zahlreiche Menschen machten sich auf eigene Faust zu Fuß auf den Weg.

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Aus einem Panzer ertönte die Durchsage, dass die Menschen zur Grenze umkehren sollten, da Busse sie abholen würden.

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Tausende hatten sich am Donnerstag von Kroatien Richtung Slowenien aufgemacht.

Foto: REUTERS/Antonio Bronic

Ljubljana/Zagreb – Am Grenzübergang Spielfeld in der Südsteiermark haben am frühen Freitagnachmittag Verzweiflung und Verwirrung unter den Flüchtlingen geherrscht. Viele machten sich von dort aus wieder auf den Weg nach Norden. Nach Stunden des Wartens stiegen etwa 1500 Personen über Tretgitter oder kletterten darunter durch und marschierten los. Viele kleine Kinder waren darunter, wie ein STANDARD-Lokalaugenschein zeigte. Tausende von ihnen konnten nicht registriert werden, weil der Andrang zu groß war. Der Zugverkehr zwischen Sentilj und Leibnitz musste wie schon am Donnerstag eingestellt werden, weil Menschen auf den Gleisen marschierten.

Die Menschen gingen auf einer Straße, die nach einigen Kilometern ohnehin abgesperrt war, doch dort waren zu wenige Dolmetscher, um ihnen das zu erklären. Nach etwa 15 Minuten kam ihnen ein Bundesheerfahrzeug nachgefahren, aus dessen Lautsprecher verkündet wurde: "If you want a bus go back. Busses are for free." Die Ersten drehten zögerlich um. Dann kam ein Bus, der in Richtung Grenze fuhr und dort Menschen abholen sollte. Frauen, an denen der Bus in die Gegenrichtung vorbeigefahren war, blieben stehen und begannen zu weinen. Für geschätzt mehrere tausende Menschen sind nur sechs Busse im Dauereinsatz durch die ganze Steiermark unterwegs, heißt es von der Polizei vor Ort.

6000 bis 7000 kamen in Südsteiermark

In der Nacht auf Freitag soll Österreich die Einreise von Flüchtlingen vorübergehend gestoppt haben, am Grenzübergang Spielfeld warteten tausende auf ihre Weiterreise nach Deutschland. In Spielfeld selbst befanden sich laut Polizeisprecher Fritz Grundnig am Vormittag 1.500 Flüchtlinge. Am Nachmittag hieß es, dass seit der Früh 6.000 bis 7.000 Menschen aus Slowenien kommend in die Südsteiermark gekommen seien.

Rund 1.000 Personen hatten sich auch schon am Vormittag zwischenzeitlich auf Bahngleisen auf den Weg Richtung Graz gemacht, konnten dann aber davon abgebracht werden. Immer wieder gab es Versuche, die Sperren zu durchbrechen.

Auseinandersetzung in Turnsaal

In der Nacht auf Freitag wurden 600 Personen in eine Turnhalle nach Wagna im Bezirk Leibnitz gebracht. Dort sollten sie in Ruhe schlafen können, doch unter den Flüchtlingen soll es zu einer Rauferei gekommen sein: Die Einsatzeinheit der Polizei musste dazwischengehen, bestätigte Polizeisprecher Leo Josefus Augenzeugenberichte, die der APA geschildert worden waren. Der Turnsaal sei eine Notmaßnahme gewesen und werde zu keinem Quartier, betonten die Einsatzkräfte.

Obwohl die Nacht über immer wieder Busse gefahren sein sollen, um Menschen in Notquartiere zu bringen, mussten manche Flüchtlinge die Nacht bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt im Freien verbringen. Am Vormittag kamen erneut hunderte aus Šentilj über die Bahngleise.

Auch nach Kärnten gebracht

Auch in Kärnten traf erstmals ein Flüchtlingstransport von der kroatisch-slowenischen Grenze mit gut 600 Flüchtlingen ein. Sie wurden am Donnerstagabend in Notquartieren in Villach untergebracht. Am Freitag arbeitete man bereits an ihrer Weiterreise, um Platz für Neuankömmlinge zu schaffen, sagte Polizeisprecher Rainer Dionisio. Freitagfrüh erklärte er, dass alle Quartiere voll seien – die beiden in Villach mit den 600 Flüchtlingen und das Klagenfurter Transitquartier mit insgesamt rund 900 Personen, davon etwa 130 reguläre Asylwerber, für die es sonst keine Unterkunft gab.

Auch Asylwerber in Notquartieren

Insgesamt sollen mehr als 4.000 Asylwerber die Nacht auf Freitag in Notquartieren der Hilfsorganisationen verbracht haben. Laut Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, hatte der Bund, der für die Unterbringung von Asylantragstellern zuständig ist, keine Plätze zur Verfügung. Weitere 4.100 der 12.000 Plätze in den Notquartieren waren vergangene Nacht von Flüchtlingen auf der Durchreise belegt. An den Grenzübergängen Spielfeld und Bad Radkersburg betreute das Rote Kreuz im Transitbereich knapp 2.000 Menschen, teilte Foitik mit.

Slowenien schließt Zaunbau nicht aus

In der Flüchtlingskrise schließt Slowenien nun den Bau eines Grenzzauns zu Kroatien nicht mehr aus, falls Österreich und Deutschland die Grenzen schließen sollten. Der slowenische Regierungschef Miro Cerar hatte zudem am Vorabend Kroatien scharf angegriffen. Es sei unsolidarisch und unfair, weil es keinerlei Absprachen mit den slowenischen Behörden treffe. Er werde wegen dieses nicht hinnehmbaren Verhaltens die EU-Kommission einschalten. Beide Nachbarländer sind EU-Mitglieder.

Kroatien hatte in der Nacht auf Freitag wieder tausende Flüchtlinge an die Grenze zu Slowenien transportiert. Allein in der vergangenen Nacht seien dort 4.000 Menschen abgesetzt worden, berichtete die Nachrichtenagentur STA unter Berufung auf die slowenische Polizei am Freitag. Die Vorwürfe Sloweniens nannte der kroatische Premier Zoran Milanović "viel Lärm um nichts", wie die Nachrichtenagentur Hina am Freitag berichtete.

Mikl-Leitner: "Wir müssen an einer Festung Europa bauen"

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte am Donnerstag bei einem Besuch in Spielfeld eine bessere Absicherung der EU-Außengrenzen. "Wir müssen an einer Festung Europa bauen", sagte sie bei dem Lokalaugenschein mit Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) mit ungewohnt drastischen Worten. Dazu brauche es Hotspots zur Registrierung an den Außengrenzen und eine Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Union.

Klug kritisiert Mikl-Leitners Wortwahl

Klug kritisierte am Freitag die Wortwahl Mikl-Leitners: Vor dem Hintergrund der Krisenherde auf der ganzen Welt halte er die "Titulierung 'Festung Europa'" für eine "politische Fehleinschätzung". Zudem sehe er kein Chaos an der steirisch-slowenischen Grenze in Spielfeld. Schon im Burgenland habe das Bundesheer bewiesen, wie deeskalierend und professionell es mit der Polizei zusammenarbeite. Nun stehe man auch in der Steiermark vor einer besonderen Herausforderung. Wenn die Innenministerin der Meinung sei, sie brauche mehr Unterstützung, habe man "noch Luft nach oben". (APA, cms, red, 23.10.2015)