Google-Manager Madhav Chinnappa.

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München – Madhav Chinnappa, zuständig für den Bereich strategische Beziehungen und Nachrichten bei Google, ist eine Wette eingegangen: Mit rund 2.000 Einreichungen rechne er persönlich, antwortete er auf die Frage des STANDARD, wie viele Bewerbungen Google in der ersten Runde erwarte. Bis 4. Dezember können Vorschläge für innovative Projekte eingereicht werden. 150 Millionen Euro stellt Google im Rahmen seiner im Frühjahr angekündigten "Digital News Initiative" bereit.

Bewerben könne sich jeder, vom großen Verlagshaus bis zu einer Einzelperson. Das Projekt müsse auch gar nichts mit Google zu tun haben, versichert Chinnappa im Gespräch mit einigen Journalisten am Rande der Münchner Medientage. Bis zu 50.000 Euro werden kleineren Projekten zur Verfügung gestellt, die Obergrenze liegt bei einer Million. Google werde auch Projektpartner, die ähnliche Ideen vorschlagen, miteinander in Verbindung bringen, sofern das gewünscht sei, sagt Chinnappa.

Beirat und Projektteam entscheiden

Die Entscheidung, ob nun Gelder fließen, treffen ein Projektteam, an dem Google-Mitarbeiter beteiligt sind, und ein aus zwölf Personen bestehender Beirat, dem unter anderen der NZZ-Vorstandschef Veit Dengler und die scheidende "Spiegel online"-Geschäftsführerin Katharina Borchert angehören. Die ersten Mittel sollen bereits Anfang 2016 fließen, zwei bis drei Bewerbungsrunden soll es pro Jahr geben. Laut Google haben im Vorfeld aus Österreich unter anderen die "Kronen Zeitung", "Heute", die Vorarlberger Russmedia und Fellners oe24.at Interesse angemeldet.

Die Innovationsförderung ist eine Säule der Digital News Initiative, weitere sind die Produktentwicklung sowie Ausbildung und Forschung. Im Rahmen dessen werden Mittel für den vom Reuters Institute herausgegebenen "Digital News Report" aufgestockt. Davon profitiert auch Österreich, das in die jährliche Untersuchung aufgenommen wurde.

18 Länder im Digital News Report

Bisher wurden Daten aus zwölf Ländern etwa zur Nutzung von Smartphones und zur Zahlungsbereitschaft bei digitalen Diensten miteinander verglichen. Nun fließen auch Informationen aus Österreich, der Schweiz, Tschechien, der Türkei, Polen und Portugal ein, erklärte der für Europa zuständige Google-Stratege Carlo D'Asaro Biondo bei den Münchner Medientagen. Details für Österreich sollen am kommenden Donnerstag in Wien vorgestellt werden.

Der Verband der Österreichischen Zeitungen (VÖZ), dessen Geschäftsführer Gerald Grünberger den Google-Ausführungen in München lauschte, plädiert dafür, dass Google auf Basis eines Leistungsschutzrechts für Verlage Lizenzgebühren für Verlagsinhalte zahlt. Google lehnt eine entgeltpflichtige Nutzung der Presseinhalte auf seinen Seiten jedoch ab. Auf die Frage, ob diese Initiative ein Friedensangebot an Verlage sei, antwortete Chinnappa: Google wolle die Skepsis überwinden. Und Nachrichten wolle man ganz sicher keine selbst produzieren. "Wir sind eine Tech-Firma."

Förderung der Aufbruchstimmung

Gerrit Rabenstein von Googles strategischer Partnerschaftsentwicklung sieht den Innovationstopf als "Angebot an Verlage, Aufbruchstimmung zu unterstützen", wie er bei einer Diskussionsrunde in München sagte. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ist einer der Verlage, die sich dieser Initiative angeschlossen haben. "Das heißt aber nicht, dass wir uns mit Google ins Bett legen", betonte Digitalchef Mathias Müller von Blumencron.

Der Chef von bild.de, Julian Reichelt schilderte seine Erfahrungen mit Instant Articles auf Facebook: Zehn bis 30 Artikel stelle "Bild" jeden Tag Facebook zur Verfügung, aber bisher nur solche, die es auch auf der eigenen Homepage gebe. Er sieht noch technische Schwierigkeiten, aber das Projekt insgesamt positiv.

Rowan Barnett, Direktor Marktentwicklung bei Twitter für mehrere europäische Länder und Russland, stellte in München das neue Projekt "Moments" seines Hauses vor. Aus mehr als 500 Millionen Tweets pro Tag werde das Beste ausgewählt und in einer App präsentiert.

Journalistische Seele gegen Tech-Firmen

Facebooks Angebot, Instant Articles ins Netz zu holen, steht der "FAZ"-Digitalchef skeptisch gegenüber. Ziel müsse sein, weiterhin Leser auf die eigene Website zu holen, wenn auch mithilfe sozialer Medien. Denn im Vergleich zu den Tech-Firmen seien europäische Medienmarken "winzige Zwerge" und könnten jederzeit aufgekauft werden. Er setze auf die "journalistische Seele" und hoffe darauf, dass traditionelle Medienmarken überleben. (Alexandra Föderl-Schmid aus München, 23.10.2015)