Seit einigen Tagen sorgt ein Hauptreihenstern der Spektralklasse F im Sternbild Schwan für gehörige Aufregung. Der Stern mit der Bezeichnung KIC 8462852 wurde mit dem Kepler-Teleskop der Nasa entdeckt und liegt in rund 1.480 Lichtjahren Entfernung von der Erde. Das Außergewöhnliche an den Beobachtungen der vergangenen vier Jahre sind von der US-Astronomin Tabetha Boyajian (Yale University) und ihren Kollegen erstmals beschriebene unregelmäßige Helligkeitsschwankungen in dem System: Irgendetwas scheint den Stern immer wieder kurzzeitig um bis zu 22 Prozent zu verfinstern.

"Tabbys Stern" im Sternbild Schwan liegt rund 1.480 Lichtjahre entfernt.
Illu.: Boyajian et al

Alle Versuche, das Phänomen mit bekannten astronomischen Prozessen zweifelsfrei in Einklang zu bringen, schlugen bisher fehl: Für einen potenziellen Exoplaneten, der sich immer wieder vor den Stern schiebt, sind die Verdunkelungen zu groß und zu unperiodisch. Auch eine protoplanetare Scheibe, in der gerade neue Exoplaneten heran reifen, kommt nicht in Frage; dafür ist der Stern schlicht zu alt.

Kollidierende Asteroiden und Staubwolken wurden ebenso ausgeschlossen oder zumindest als äußerst unwahrscheinlich erachtet. Wie in solchen Fällen zu erwarten, kam schließlich die Idee aufs Tapet, es könnte sich um künstliche Strukturen handeln – mit anderen Worten: Außerirdische sind dort am Werk.

Ein "Schwarm von Megastrukturen"...

Ins Spiel gebracht hat diese These Jason Wright. Der Astronom von der Penn State University hat in einem Blog die Möglichkeit angedeutet, dass das seltsame Verhalten von KIC 8462852 auf eine Superzivilisation zurückzuführen sein könnte. Ein "Schwarm von Megastrukturen" zur Energiegewinnung etwa, die den Stern umkreisen.

Die ungewöhnliche Lichtkurve von KIC 8462852 lässt sich nur schwer mit natürlichen Vorgängen erklären.
Illu.: Boyajian et al, 2015

"Aliens sollten in solchen Fällen immer die allerletzte Hypothese sein, doch was wir hier beobachten, sieht nach etwas aus, das man bei einer außerirdischen Zivilisation erwarten würde", erklärte Wright in einem Interview mit "The Atlantic". In dem Augenblick, da ein Wissenschafter ETs Wirken als Lösung des Rätsels ernsthaft erwog, kannte das Internet kein Halten mehr: Allenthalben war von der möglichen Entdeckung von Außerirdischen die Rede.

Aber wie wahrscheinlich ist es tatsächlich, dass "Tabbys Stern", wie Wright den mysteriösen Himmelskörper in seinem Blog getauft hat, Heimat einer hochentwickelten Zivilisation sein könnte? Die meisten Wissenschafter – und auch Wright selbst – schätzen diese Möglichkeit in Wahrheit als äußerst gering ein. So ist etwa KIC 8462852 nicht der erste Stern mit einer ungewöhnlichen Lichtkurve: Vor wenigen Tagen verwies der Nasa-Forscher Steve Howell darauf, dass der Stern KIC 4110611 ein ähnliches Verhalten zeigt. Nach einigen Jahren der Beobachtung konnte schließlich nachgewiesen werden, dass es sich dabei um ein Fünffach-Sternsystem handelt, was zu entsprechend unregelmäßigen Bedeckungen führt. Eine ähnliche Erklärung wäre auch für "Tabbys Stern" durchaus plausibel, meint Howell.

... oder doch nur Exokometen?

Auch Exokometen würden zu der rätselhaften Lichtkurve passen, wie Florian Freistetter mit Verweis auf Boyajians Veröffentlichung in seinem Astronomie-Blog "Astrodicticum simplex" darlegt. Dank ihrer bisweilen sehr exzentrischen Umlaufbahnen wären die unregelmäßigen Bedeckungen damit zumindest theoretisch zu erklären. Der Wissenschafter und Autor Anders Sandberg schließlich zäumt das Thema gleichsam von hinten auf: Sandberg spekuliert in seinem Beitrag auf "The Conversation" über die unterschiedlichen Varianten gigantischer künstlicher Strukturen, etwa einer Dyson-Sphäre. Und auch er kommt zu dem Schluss, dass die Chancen, etwas Derartiges zufällig zu beobachten, äußerst gering sein dürften.

Das Radioobservatorium Very Large Array (VLA) in New Mexico soll KIC 8462852 in den kommenden Monaten ins Visier nehmen.
Foto: NRAO/AUI and NRAO

Was tatsächlich dahinter steckt, könnten weitere intensive Untersuchungen mit mehreren erdgebundenen Großteleskopen und Weltraumteleskopen bringen. Und für den Fall, dass sich um "Tabbys Stern" womöglich doch Aliens tummeln, haben Boyajian, Wright und weitere Wissenschafter bereits Beobachtungszeit am Very Large (Telescope) Array (VLA) in New Mexiko gebucht, um nach Signalen außerirdischen Ursprungs zu lauschen. Denn völlig von der Hand weisen wollen die Astronomen ET als Urheber der ungewöhnlichen Lichtdaten auch nicht. (tberg, 24.10.2015)