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Der verurteilte Oscar Pistorius verbüßt den Rest seiner Strafe in der Luxusvilla seines Onkels in Pretoria. Für viele Südafrikaner ist das eine Ungerechtigkeit.

Foto: AP Photo/Themba Hadebe

Als Südafrikaner am Dienstag dieser Woche ahnungslos zur Arbeit gingen, war Oscar Pistorius bereits aus dem Gefängnis entlassen worden und saß wahrscheinlich beim Frühstück in der Luxusvilla seines Onkels Arnold Pistorius im schicken Vorort Waterkloof in Pretoria. Der Plan der Gefängnisleitung war aufgegangen: Statt den einstigen Sportstar wie angekündigt am Dienstag nach zwölf Monaten Haft freizulassen, hatten ihn die Behörden in der Dunkelheit am Vorabend aus dem Gefängnis gebracht. Der Medienrummel blieb dem 28-Jährigen damit erspart.

Die Presse jagt den Sportler immer noch und wartet vor dem Haus, um endlich wieder ein aktuelles Foto des früher als Nationalheld verehrten Leichtathleten zu ergattern oder die Besucher zu filmen. Denn das dreistöckige Gebäude mit Swimmingpool wird in den kommenden vier Jahren für den wegen fahrlässiger Tötung seiner Freundin im Jahr 2014 verurteilten Sportlers das Gefängnis ersetzen: Pistorius steht unter Hausarrest.

All zu hart dürfte der nicht sein, behaupteten die Südafrikaner aufgebracht. Der Ansturm auf die sozialen Medien war wieder da, und die Debatte über die Gerechtigkeit der Justiz ist wieder angeheizt worden. Aber längst nicht mehr so gegenwärtig wie in den Vorjahren zur Tatzeit und bei der Verurteilung. Wenn man viel Geld hat in Südafrika, kann man jemanden töten und weniger als ein Jahr ins Gefängnis gehen und dann bevorzugt behandelt werden, heißt es oft in Gesprächen und auf den Straßen – die Armen hingegen würden in der Haft verrotten.

Freilassung vertagt

Eigentlich wurde Oscar Pistorius bereits im August seine Entlassung genehmigt. Doch als ein Aufschrei durch die Bevölkerung ging und Frauengruppen sowie die Frauenliga der Regierungspartei heftig protestierten, ist die Freilassung wegen eines angeblich technischen Fehlers vertagt worden.

Wie kann ein Mörder – denn das ist Oscar Pistorius trotz des milderen Strafurteils für viele Südafrikaner – die Gefängnismauern mit den hohen Mauern eines Nobelhauses mit 20 Zimmern tauschen dürfen? Darauf antwortete die Familiensprecherin Anneliese Burgess: "Er beginnt nun einfach die nächste Phase seiner Strafe." Die verbleibenden vier Jahre Haft waren unter Auflagen in Hausarrest umgewandelt worden, das ist in Südafrika bei guter Führung nach einem Sechstel der Strafe möglich. Pistorius darf das Haus nicht verlassen, keinen Alkohol oder Drogen zu sich nehmen, und er wird Gemeindedienste ableisten. Waffen dürfen nicht in seine Reichweite gelangen, und er muss regelmäßig zur Psychotherapie.

Berufung zugelassen

Der ehemalige Sprintstar war am 21. Oktober vergangenen Jahres zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, weil er seine ehemalige Freundin Reeva Steenkamp getötet hatte: Er hatte vier Schüsse durch eine verschlossene Klotür abgegeben, hinter der sich Steenkamp befand, die dann an ihren Verletzungen starb. Später sagte er aus, er habe sie für einen Einbrecher gehalten.

Das Gericht akzeptierte seine Version. Doch die Richterin selbst ließ zu, dass der Staatsanwalt in die Berufung geht. Am 3. November wird nun vor dem obersten Berufungsgericht in Bloemfontein sein Fall neu angehört, die Staatsanwaltschaft hatte Berufung gegen das Urteil der fahrlässigen Tötung und die ihrer Ansicht nach zu niedrige Haftstrafe von fünf Jahren eingelegt.

So könnte der Hausarrest nicht der endgültige Ausgang der Pistorius-Saga sein. Der prominente südafrikanische Anwalt William Booth meint, dass im November eine Verurteilung wegen Mordes der Kategorie "Dolus eventualis" möglich sei, was dem österreichischen Straftatbestand des Totschlags ähnelt. In Südafrika drohen dafür mindestens 15 Jahre Haft, allerdings könnten im Falle von Pistorius mildernde Umstände wie seine Beinamputationen geltend gemacht werden. (Martina Schwikowski aus Johannesburg, 26.10.2015)