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Edward Lowassa für die Opposition...

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...und John Magufuli für die regierende CCM. Beide wollen am Sonntag Präsident Tansanias werden.

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Auch auf der Insel Sansibar, halbautonomer Teilstaat Tansanias, wurde mit Wahlplakaten nicht gespart.

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Dodoma/Wien – Liegestützen auf der Wahlkampfbühne, Plakate mit Namen statt Parteibezeichnungen und statt politischer Themen. Tansania geht am Sonntag in die vermutlich engste Präsidentenwahl seit der Einführung der Mehrparteiendemokratie 1992. Vordergründig steht einmal mehr eher um das Personal eher im Mittelpunkt als um politischen Inhalte. Doch in Wahrheit haben sich im Land, das in den vergangenen Jahren so viel über politische Details diskutiert hat, wie selten zuvor, neue Schichten begonnen, sich für Politik zu interessieren. So viele, dass die Regierungspartei zuletzt den Druck erhöht hat.

Die Vorgeschichte: Präsident Jakaya Kikwete, seit 2005 im Amt, wollte sich mit einer Verfassungsreform zum Abschied ein Denkmal setzten – im sorgfältig austarierten Machtsystem des Vielvölkerstaates eine äußerst schwierige Aufgabe. Wie seine Vorgänger ist er damit gescheitert. Erst nach der Wahl soll ein Referendum über das Grundgesetz entscheiden. Dafür ist seiner Regierungspartei CCM (Partei der Revolution) mit ihrem Widerstand gegen Vorschläge für mehr Föderalismus ein anderes Kunststück gelungen: die ideologisch gespaltene Opposition gegen sich zu vereinen. Sie tritt als liberal-konservatives Sammelbündnis Ukawa nun mit einem gemeinsamen Kandidaten an.

Mit Sozialen Medien zum Sieg

Dessen Auswahl hat viele überrascht: Edward Lowassa, ein langjähriger Spitzenpolitiker der CCM und einst sogar Premier, steht nun an der Spitze der Regierungsgegner. Er hatte zuvor einen internen Wettkampf um die CCM-Kandidatur verloren, weil der Ethik- und Ältestenrat der Partei Bedenken hatte. Dem als charismatisch geltenden Lowassa wird eine Nähe zur Korruption vorgeworfen, sein Amt als Regierungschef musste er 2009 deshalb zurücklegen. Verurteilt wurde er nie. Statt ihm schickt die CCM John Magufuli ins Rennen um das höchste Amt im Staat. Er war bisher Infrastrukturminister, gilt im Vergleich zu Lowassa als integer und zudem als schneller Lerner. Aber er ist auch weniger charismatisch.

Vor der Kampagne war er nur wenigen Wählern näher bekannt. Da kam der Vorwurf, er sei für das Amt nicht fit genug, gerade recht. Während eines Auftritts trat er mit Liegestützen auf der Bühne den Gegenbeweis an. Zuerst lachte die Opposition über ihn, später gelang es seiner Partei aber, die Angelegenheit via Sozialen Medien in ihrem Sinne zu wenden. Ein Chef, der selbst die harte Arbeit nicht scheut, war die dahinterstehende Botschaft.

Mit härteren Bandagen

Ob Magufuli es nötig gehabt hätte, scheint fraglich. Die CCM, einst einzige Partei im Staat und die längstregierende in Afrika, hat das Land auch seit der Demokratisierung und dem Ende des sozialistischen Tansania fest im Griff. Obwohl auch viele Tansanierinnen und Tansanier beklagen, dass das beträchtliche Wirtschaftswachstum nur einigen wenigen zugute kommt, hat sie bisher noch immer bei Wahlen klar gewonnen. Auch diesmal sehen zwei von drei verfügbaren Umfragen zur Wahl (alle vom September) Magufuli deutlich vor Lowassa. Zudem hat die Regierung diesmal stärker eingegriffen als in vergangenen Jahren. Vor allem das teilweise Verbot von Zeitungen und neue Pressegesetze machen der Zivilgesellschaft Sorgen.

Unsicherheit über den Wahlausgang herrscht trotzdem. Wegen des starken Bevölkerungswachstums gehen viele junge Menschen erstmals zur Wahl, sie sind mit Umfragen schwer zu erfassen. Beobachter rechnen sie aber der Opposition zu – vor allem in den Städten, wo Arbeitslosigkeit in Problem ist, und traditionelle Bindungen sind. Ob sie im gleichen Ausmaß zur Wahl gehen werden wie ältere, ist in Tansania aber ähnlich fraglich wie in vielen nördlichen Staaten.

Sorge wegen Milizenbildung

Immerhin: Der Wahlkampf lief bisher weitgehend ruhig ab, und die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die Lage auch nach der Wahl friedlich bleibt. Ganz auszuschließen ist bei einem knappen Ergebnis allerdings nicht, dass es zu Konfrontationen kommt. Auch in Tansania, das als ein Stabilitätsanker in einer unruhigen Region gilt, haben die Spannungen zugenommen. Die Wahlkommission spricht von Berichten, wonach einige Parteien ihre Jugendflügel zu Milizen ausbauen würden – laut Politologen ein Vorwurf, der alle großen Parteien gleichermaßen trifft.

Doch auch, wenn es ruhig bleibt: Wer auch immer die Wahlen gewinnt, steht vor großen Aufgaben. Die erneut verschobene Verfassungsreform muss einen Ausgleich zwischen den Landesteilen schaffen, der für alle – auf dem Festland und auf Sansibar – annehmbar ist. Und es wird nötig sein, mehr Menschen zu Wohlstand zu führen. Tansania, der viertgrößte Goldproduzent Afrikas, ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt. Dass der Wunsch danach besteht, haben beide Kandidaten in ihren Wahlkämpfen erkannt: Lowassa verspricht kostenlose Ausbildung bis zur Universität und ein Ende des Patronanz-System, mit dem die CCM viele Menschen im Land an sich bindet. Magufuli wirbt mit staatlichen Subventionen für Medikamente und Ernährung und einem leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt. (Manuel Escher, 24.10.2015)