Plötzlich dröhnt ohrenbetäubende Musik aus den Lautsprechern, man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Im Schritttempo fahren mehrere Pickups durch die Straßen von Cocody, einem belebten Stadtteil der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Die Ladeflächen sind vollbesetzt mit Anhängern von Präsident Alassane Ouattara. Sie winken den Passanten zu, schwingen kleine Fahnen, auf denen der 73-Jährige freundlich lächelt, und rufen laut: "Ado Ado Ado!" Es ist Ouattaras Spitzname.
Am letzten Tag des Wahlkampfes in Côte d'Ivoire machen die Ado-Unterstützer noch einmal ordentlich Werbung, damit der Präsident am Sonntag wiedergewählt wird. Dabei dürfte das gar nicht nötig sein, denn in dem 23 Millionen Einwohner großen Land geht niemand von einem Machtwechsel, ja nicht einmal von einer Stichwahl aus.
Ouattara hat den Amtsinhaberbonus, die sieben Herausforderer fallen im Wahlkampf kaum auf. Damit dürfte dem Land eine heiß umkämpfte Wahl wie vor fünf Jahren erspart bleiben. Den Eindruck teilt Paulette Badjo Ezouehu, Präsidentin der Kommission für Menschenrechte in Côte d'Ivoire (CNDHCI): "Der Wahlkampf ist sehr ruhig verlaufen. Es scheint auch nicht so, als ob es irgendwo unter der Decke brodelt."
Furcht vor neuen Unruhen
Die Erinnerungen an 2010 machen auch heute noch Angst. Damals mussten Ouattara und der frühere Präsident Laurent Gbagbo in die Stichwahl. Letzterer verlor, erkannte die Niederlage aber nicht an. Monate des Chaos folgten, 3000 Menschen starben. Im April 2011 wurde Gbagbo schließlich verhaftet. Sein Prozess soll am 10. November vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beginnen.
In Cocody denkt auch Mariame Coulibaly, eine Gemüseverkäuferin, mit Schrecken an die Krise zurück: "Ich bin schon froh, wenn wir keine Unruhen haben." Der Ausgang am Sonntagabend ist für sie deshalb zur Nebensache geworden. Sie hat sich entschieden, gar nicht wählen zu gehen.
Mangelhafte Wählerlisten
Genau das könnte zum Problem werden. In den Wählerlisten stehen gerade einmal 6,3 Millionen Menschen. Die Verzeichnisse gelten als veraltet, viele Namen sollen doppelt sein. Geschätzt wird, dass nicht mehr als drei Millionen Menschen ihre Stimme abgeben. "Eine Farce" nannte der einstige Kandidat Mamadou Koulibaly, ein ehemaliger Senatspräsident, den Urnengang und zog vor einigen Wochen seine Kandidatur zurück. Bereits im August hatte der Hardliner-Flügel der Gbagbo-Partei FPI (Ivorische Volksfront) zum Boykott aufgerufen, wie schon bei den Parlaments- und Kommunalwahlen in den Jahren 2011 und 2013.
Dabei hätte eine Teilnahme ein Zeichen sein können, das Land wieder gemeinsam gestalten zu wollen. Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Versöhnung gewesen. Dafür gibt es zwar eine Kommission, doch die meisten der einstigen Rebellen – egal, ob sie Ouattara oder Gbagbo unterstützten – sind weiterhin auf freiem Fuß. Auch deren Waffen hat bisher niemand eingesammelt.
Ankurbelung der Wirtschaft
Das sensible Thema ist im Wahlkampf allerdings kaum zur Sprache gekommen. Stattdessen ging es etwa um die Ankurbelung der Wirtschaft. Da hat sich zuletzt, zumindest in Abidjan, einiges getan. Eine positive Entwicklung bescheinigt auch der Anfang Oktober veröffentliche Mo-Ibrahim-Index. "Schau dir nur die neuen Straßen an", schwärmt der 23-jährige Drahamane bei einem Konzert für Ouattara. "Ado hat hart für uns gearbeitet", betet er Wahlkampfgetöse herunter.
Eins lässt der junge Mann aber völlig außer Acht: Ouattara ist es nicht gelungen, die massive Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Verschiedenen Schätzungen zufolge sollen mindestens zwei Drittel der 15- bis 24-Jährigen ohne Arbeit sein. Ändert sich das nicht, dürfte sich bald das nächste Pulverfass öffnen. (Katrin Gänsler aus Abidjan, 24.10.2015)