Spielfeld/Wagna – In der Sporthalle der südsteirischen Gemeinde Wagna wird applaudiert und gelacht. Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Iran und Syrien sitzen in Zweierreihen auf dem Boden und hören Dolmetschern zu. "Wir haben ihnen erklärt, dass die Leute hier freundlich sind, dass sie keine Angst haben müssen und sie mit Bussen nach Wien gebracht werden", erzählt Moni, eine Österreicherin, die einst aus Persien hierherkam.
Übersetzen gegen die Panik
Die Pensionistin Moni weiß, wie wichtig das Übersetzen ist, da "die Leute dann wissen, was mit ihnen passiert und keine Panik aufkommt". Moni, einige junge Männer, die selbst erst seit ein paar Monaten in Österreich sind, und ein Programmiertechniker aus Ägypten, der wie Moni schon Jahrzehnte hier lebt, haben sich den ganzen Freitagmorgen um rund 600 Menschen gekümmert, die hier übernachtet haben. Jetzt fahren sie mit zwölf Bussen weg – viele Kinder sind dabei – und manche der Helfer haben nasse Augen. Ein Bub verabschiedet sich herzlich bei einem Polizisten, als ob man sich schon lange kennen würde, dann steigt er in den Bus. Auch der Beamte ist gerührt.
"Es ist alles sehr ruhig und geordnet abgelaufen", sagt der Polizist. Peter Stradner (SPÖ), der Bürgermeister von Wagna, ist auch da. Erst kurz vor Mitternacht kam der Anruf, ob man die 600 Menschen aufnehmen könne, da es nur zwei Grad plus hatte und sie zu erfrieren drohten. Dann ging alles ganz schnell. "Die Nachbarn haben nicht einmal gemerkt, dass sie in der Nacht gekommen sind", sagt der Bürgermeister, "sie haben heute früh gefragt, ob sie schon da sind." Viele Einheimische hätten auch Hilfe angeboten. Es ist kurz nach Mittag und die Halle ist schon fast wieder leer. "Alles ist intakt und nichts ist passiert, Schreckensbilder kann ich keine teilen", sagt Stradner im Gespräch mit dem STANDARD, "wir werden unsere Türen wieder öffnen, wenn vor unseren Türen jemand zu erfrieren droht."
Nur sechs Busse
Anders sieht es im wenige Autominuten entfernten Spielfeld aus. Im Niemandsland zwischen slowenischer und österreichischer Grenze sitzen mehrere tausend Menschen, viele Kinder, erschöpft auf dem Asphalt – um sie herum Polizei aus der Steiermark, dem Burgenland und Niederösterreich und österreichische Soldaten.
Nur sechs Busse pendeln hier laut Polizei zwischen Quartieren in der Steiermark und der Grenze. Immer wieder klettern tausende Menschen in Panik über Tretgitter und marschieren los. Ein Militärfahrzeug fährt ihnen nach und versucht, sie via Lautsprecher auf Englisch und Arabisch zur Umkehr zu bewegen: Denn es kämen Busse für sie. Nicht alle Flüchtlinge scheinen das zu verstehen oder zu glauben. Polizeisprecher Leo Josefus glaubt im STANDARD-Gespräch trotzdem, dass genug Dolmetscher an der Grenze seien. Auch der Transport mit Bussen laufe "ungehindert weiter". Von Chaos, wie es Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) am Vortag beschrieb, spricht man seitens der Polizei nicht. (Colette M. Schmidt, 23.10.2015)