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Beim dänischen Meister Midtjylland entwickelte sich der sechsfache Teamspieler Daniel Royer zu einer wichtigen Stütze.

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Bei Club Brugge feierte Midtjylland in der Europa League einen 3:1-Sieg. Nach drei Spielen halten die Dänen bei sechs Punkten.

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Vor seinem Engagement beim FC Midtjylland absolvierte Royer 63 Pflichtspiele für Austria Wien.

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Wien – Viele Trophäen stehen noch nicht in der Vereinsvitrine des FC Midtjylland. Der dänische Klub gewann in der vergangenen Saison seine erste Meisterschaft, international sorgte er bis dato für wenig Aufsehen. Dennoch zählt er zu den derzeit wohl aufregendsten Fußballklubs Europas. Es sind weniger die sportlichen Erfolge, als vielmehr die bannbrechenden Scouting- und Analysemethoden, die die Herzen von Statistikfreaks und Fußballliebhabern in gleichem Maße höher schlagen lassen.

Eine geheime Mixtur aus mathematischen Modellen, Algorithmen und Statistiken soll dem Klub dazu verhelfen, eine perfekt harmonierende Truppe zusammenzustellen. Im Sommer spuckte der Midtjylland-Computer auch den Namen "Daniel Royer" aus. Welche Leistungsdaten für sein Engagement ausschlaggebend waren, weiß der Schladminger allerdings nicht. "Ich glaube, auch die anderen Spieler haben keine Ahnung, wie dieses Scoutingsystem genau funktioniert."

"Hier ist alles viel ruhiger"

Für den sechsfachen Teamspieler komme es bei der Verpflichtung eines Fußballers ohnehin auf mehr an als auf die Auswertung trockener Daten. "Bevor ich unterschrieben habe, bin ich ja nach Dänemark geflogen, um die Leute hier kennenzulernen", sagt er. "Ich glaube, dass man auch menschlich zum Verein passen muss, um hier spielen zu dürfen." Nach seinem Besuch im 48.000-Einwohner-Städtchen Herning, wo der Verein beheimatet ist, habe er mit seiner Zusage nicht lange gezögert. "Mir war sofort klar: Hier stimmt die Atmosphäre, hier verstehe ich mich mit den Menschen."

Ausschlaggebend für den Wechsel von der Wiener Austria zum dänischen Meister sei auch der Wunsch gewesen, auf internationaler Bühne aufzutreten. Der Traum wurde wahr: Nach drei Spielen in der Europa League hält Midtjylland bei sechs Punkten. "Unser Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen. Das wäre für den Verein eine Riesensache." Der Wegzug aus der österreichischen Hauptstadt sei dennoch mit kleinen Entbehrungen verbunden gewesen. "Man muss ja nicht ständig Party machen, aber wenn du in Wien vor die Haustür gehst, bieten sich dir tausende Möglichkeiten", sagt Royer. "Hier ist alles viel kleiner und ruhiger – aber trotzdem schön."

Das dänische Red Bull Salzburg

Hohe Mathematik hin oder her, am FC Midtjylland kommt in Dänemark kaum jemand vorbei. Im Juli feierte der Klub, der durch eine Fusion der in wirtschaftliche Nöte geratenen Vereine Herning Fremad und Ikast FS aus der Taufe gehoben wurde, sein erst 16-jähriges Bestehen. Wie andere Fußballklubs, die auf eine verhältnismäßig kurze Geschichte zurückblicken und in die viel Geld gesteckt wird, werde Midtjylland von vielen dänischen Fans angefeindet. "Man kann den Verein ein bisschen mit Red Bull Salzburg vergleichen", sagt Royer. "Midtjylland stößt immer wieder auf Gegenwind."

Die Atmosphäre in der Herninger MCH-Arena findet Royer dennoch stimmungsvoll. "Ins Stadion passen zwar nur 12.000 Menschen, es ist aber sehr kompakt gebaut." Im Meisterjahr 20014/15 saßen im Schnitt 8.570 auf den Tribünen. "Trotzdem war es meistens laut."

Irrationalität ist der Feind

Der Unterschied zum österreichischen Meister: 2014 stand Midtjylland noch vor dem Ruin. Gerettet wurde der Verein durch das Geld eines smarten Briten namens Matthew Benham. Der 52-Jährige machte mit einem gefinkelten Sportwettsystem ein Vermögen. Mit seinem Unternehmen Smartodds wettet er seit mehr als zehn Jahren mit mathematischen Methoden auf Fußballspiele. An die acht Millionen Euro soll Benham in den Verein gesteckt haben, bereits 2010 übernahm er den FC Brentford in England. Mit seiner analytischen Herangehensweise will er "irrationalen, subjektiven und emotionalen Entscheidungen" den Garaus machen, wie der Sportnachrichtendienst SID schreibt. "Wir können unsere Gegner nicht mit finanziellen Mitteln schlagen, also müssen wir schlauer sein als sie", sagt Vereinsboss Rasmus Ankersen, das zweite Mastermind hinter dem Erfolg. Denn es gibt einen weiteren Unterschied zu Red Bull Salzburg: Im Gegensatz zum Mateschitz-Klub verfügt Midtjylland nicht über das höchste Budget der Liga.

So spielt die Statistik nicht nur beim Scouting eine wichtige Rolle. "Wenn wir in der Halbzeit in die Kabine gehen, hat der Trainer schon bestimmte Statistikwerte parat", sagt Royer. "Das funktioniert hier sehr schnell und hilft uns dabei, unser Spiel bei Bedarf anzupassen." Der dänische Fußball sei ohnehin taktisch sehr anspruchsvoll. Und physisch. Robuste und große Spieler sind es auch, die für das Meisterstück der Ulvene (Wölfe) mitverantwortlich sind: Kaum ein Verein in Europa schießt nach Standardsituationen so viele Tore wie Midtjylland. Ein besonderes Training für ruhende Bälle verneint Royer allerdings. "Ich denke, dass wir einfach die richtigen Spielertypen in der Mannschaft haben, um freistoß- und eckballgefährlich zu sein."

Ups and Downs in Deutschland

Midtjylland ist Royers zweite Auslandsstation. Zwischen 2011 und 2013 stand der ehemalige Jugendspieler des SK Sturm Graz beim deutschen Bundesligisten Hannover 96 unter Vertrag, 2012 wurde er an den 1. FC Köln in die zweite Liga verliehen. Ob er in Deutschland gescheitert sei? "Der Durchbruch ist mir dort jedenfalls nicht gelungen", sagt Royer. "Der Konkurrenzkampf war damals sehr groß. Als ich nach Hannover gekommen bin, war die Mannschaft so erfolgreich wie selten zuvor." 2012 drangen die Niedersachsen bis ins Viertelfinale der Europa League vor, die Meisterschaft wurde auf dem siebenten Platz beendet. "In Köln hat es mir dann wieder Spaß gemacht." Seinem Engagement bei Hannover gewinnt Royer trotzdem einen positiven Aspekt ab: "Wenn man durch schwierige Zeiten geht, entwickelt man sich als Mensch weiter."

Nun scheint Royer gerade in dem Land glücklich zu werden, in dem Studien zufolge die glücklichsten Menschen der Welt leben. Ob sich das im Alltag bemerkbar mache? "Das ist schwierig zu beantworten", sagt der Schladminger, der derzeit mit anderen ausländischen Spielern Dänisch lernt. "Was mir aber sofort aufgefallen ist: Die Menschen sind extrem freundlich und begegnen einem immer mit Respekt. Das habe ich in dieser Intensität noch nirgends erlebt." Mit Midtjylland will Royer seine erste Meisterschaft gewinnen. Der Triumph im ÖFB-Cup mit der SV Ried (2011) stellt seinen bisher größten Erfolg dar. "Mit dem FC Kopenhagen und Brøndby haben wir zwei starke Konkurrenten, aber warum sollten wir es nicht schaffen?" Die Zeichen stehen zumindest derzeit nicht schlecht: Punktegleich mit Kopenhagen liegt Midtjylland auf dem zweiten Platz der Superliga. Ob dafür Mathematik, Statistiken oder Menschen verantwortlich sind, spielt für Royer nicht die wichtigste Rolle. (Kordian Prokop, 29.10.2015)