Die Forscher schleusten via Viren fluoreszierende Moleküle in das Gehirn von Mäusen ein. Wenn die Produktion des speziellen Calcium-Ionenkanals aktiviert wurde, begannen die Moleküle zu leuchten.

Foto: Karen von Loo/Albert Becker

Bonn – Epilepsie kann viele Ursachen haben. Im Lauf seines Lebens erleidet etwa jeder 20. Mensch einen epileptischen Anfall. Relativ oft entwickelt sich die sogenannte Schläfenlappenepilepsien zeitversetzt nach einer vorübergehenden Gehirnschädigung – zum Beispiel durch Verletzung oder Entzündung. Zudem konnte in Studien nachgewiesen werden, dass nach einer vorübergehenden schweren Gehirnschädigung und vor einem ersten spontanen epileptischen Anfall die Konzentration freier Zink-Ionen im Hippocampus steigt.

Forscher der Experimentellen Epileptologie und Neuroradiologie der Uniklinik Bonn sowie der Hebrew University in Jerusalem haben nun einen Signalweg entschlüsselt, der am Ausbruch von epileptischen Anfällen beteiligt ist. Die Beobachtung der Wissenschaftler: Steigt nach einer vorübergehenden schweren Gehirnschädigung die Menge an Zink-Ionen, docken diese verstärkt an einem Schalter, dem sogenannten metallregulatorischen Transkriptionsfaktor 1 (MTF1), an. Das führt dazu, dass die Menge eines speziellen Calcium-Ionenkanals in den Nervenzellen stark zunimmt, was insgesamt die Gefahr epileptischer Anfälle erhöht.

Dass der Transkriptionsfaktor MTF1 in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle spielt, konnten die Forscher mit einem Experiment an Mäusen, die an Epilepsie erkrankt waren nachweisen. "Mit einem genetischen Verfahren hemmten wir in den epileptischen Mäusen MTF1, worauf es zu viel selteneren und schwächeren Anfällen in den Tieren kam", sagt Erstautorin Karen van Loo.

Epilepsie sichtbar machen

Für das Experiment kam ein neuartiges Verfahren zum Einsatz: Mit Hilfe von Viren schleusten die Forscher in die Gehirne von Mäusen fluoreszierende Moleküle ein, die immer dann leuchteten, wenn die Produktion des speziellen Calcium-Ionenkanals aktiviert wurde. Die von den Fluoreszenzmolekülen ausgesandten Lichtstrahlen ließen sich durch die Schädeldecke der Mäuse messen. Dadurch war es möglich, die während der Entwicklung einer Epilepsie stattfindenden Prozesse am lebenden Tier zu untersuchen.

"Leuchten die Fluoreszenzmoleküle, ist das ein Hinweis darauf, dass die Maus chronisch epileptische Anfälle entwickelt", sagt die Molekularbiologin Susanne Schoch von der Neuropathologie der Uni Bonn.

Würden die Zink-Ionen oder der Transkriptionsfaktor MTF1 gezielt im Gehirn gehemmt, ließe sich möglicherweise die Entstehung von epileptischen Anfällen verhindern, hoffen die Forscher. "Das müssen aber erst noch weitere Studien erweisen", relativiert Karen van Loo. Eine neue Therapieoption wäre auch deshalb erforderlich, da "rund ein Drittel der Patienten mit Schläfenlappenepilepsien nicht auf Medikamente anspricht", sagt Albert Becker vom Institut für Neuropathologie der Uni BonnBecker. (red, 27.10.2015)