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Massiv zurückgegangen war bei der ersten Runde der ägyptischen Parlamentswahlen die Wahlbeteiligung. Im Bild ein Wahllokal in Al-Haram in Giza, einer Vorstadt von Kairo.

Foto: AP / Nariman El-Mofti

Das Wahlsystem hat seine Schuldigkeit getan: Der Gewinner erhielt alle Sitze, alle anderen gingen leer aus, denn auch für Listenmandatare galt das Mehrheitsprinzip. Der Sieger, das war in der ersten Runde der ägyptischen Parlamentswahlen die Liste "Aus Liebe zu Ägypten", die Präsident Abdelfattah al-Sisi nahesteht. Das Bündnis unter Ex-Geheimdienstgeneral Seif al-Yazal ist nicht nur angetreten, um Sisi zu unterstützen und ihm eine Mehrheit zu verschaffen, sondern auch mit dem Versprechen, mit einer Verfassungsänderung die Befugnisse des Präsidenten zulasten des Parlamentes wieder auszuweiten.

Leer ausgegangen ist die zweitstärkste Kraft, die salafistische Al-Nur-Partei, obwohl ihre Liste in ihrem stärksten Wahlkreis auf fast 40 Prozent der Stimmen kam. Aber auch ihre Einzelkandidaten haben schlecht abgeschnitten; ein Schock für die Parteiführung.

Wirksame Dämonisierung

Die Dämonisierung der Gegner hatte gewirkt. Der Pakt mit dem Regime hat sich für die letzte verbliebene Stimme des politischen Islam offensichtlich nicht ausgezahlt. Al-Nur hatte die Machtübernahme durch die Armee und die Absetzung der Muslimbrüder im Sommer 2013 gutgeheißen.

Yazal kommentierte, die Ägypter hätten die Lektion von 2011 gelernt; man werde niemals mehr ein "Kandahar-Parlament" haben. Bei den letzten Parlamentswahlen hatten die Islamisten fast drei Viertel der Stimmen errungen.

Gestern, Dienstag, und heute, Mittwoch, müssen die Einzelkandidaten zu Stichwahlen antreten. In vielen Wahlkreisen stehen sich Kandidaten gegenüber, die sich kaum voneinander unterscheiden; alle machen sich stark für die Po litik des Präsidenten. Viele stammen aus einer neuen Partei, dessen Chef die Medien als "Sisis verwöhntes Kind" bezeichnet hatten. Das größte Kontingent stellen die Liberalen, deren Partei nach der Revolution von Milliardär Naguib Sawiris gegründet wurde. Sie haben ihre Reihen mit prominenten Persönlichkeiten gefüllt, die von einem großen Werbebudget profitieren und keine Berührungsängste mit Ehemaligen aus der Mubarak-Zeit haben. Von den Salafisten erhalten 25 nochmals eine Chance. Völlig untergegangen sind hingegen die Kandidaten von linken Parteien.

Wut über Wirtschaftskrise

Alles spricht dafür, dass die Resultate der ersten Runde Ende November, wenn die zweite Hälfte des Landes wählt, reproduziert werden: "Aus Liebe zu Ägypten" wird alle Listenmandate auf sich vereinigen können und zusammen mit ihr gewogenen Einzelkandidaten dem Präsidenten eine satte Mehrheit beschaffen.

Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde betrug lediglich 26,5 Prozent – die Hälfte früherer Wahlgänge und ein schlechtes Ergebnis für diesen "letzten Schritt zur Demokratisierung" nach dem erzwungenen Machtwechsel. Viele Bürger und Bürgerinnen haben offensichtlich den Glauben daran verloren, dass die Volkskammer ihre Anliegen vertritt und für Verbesserungen sorgen kann.

In diesen Tagen gilt der Unmut der Wirtschaftskrise mit Währungsverfall und rapide steigenden Lebensmittelpreisen. Auch die Zahl der Arbeitskämpfe steigt an. Die Wut richtet sich gegen jahrelange Versäumnisse der Regierung im Bereich der Infrastruktur. Beim ersten größeren Regenfall ist am Montag Alexandria in den Fluten fast untergegangen. Die veralteten, verschmutzten Abwasserkanäle konnten das Wasser nicht zurückhalten, Straßen und Unterführungen liefen voll. Fünf Menschen starben durch Stromkabel, die ins Wasser gefallen waren. (Astrid Frefel aus Kairo, 28.10.2015)