Es soll nicht bleiben, wie es ist: "Songs My Brothers Taught Me".


Foto: Viennale

Die Zahlen und Fakten über das Pine-Ridge-Reservat im Südwesten von South Dakota lesen sich dramatisch: Die Arbeitslosenquote liegt bei 85 Prozent, die Hälfte der Bewohner lebt unterhalb der Armutsgrenze, die Lebenserwartung liegt bei 50 Jahren. Durch Vertragsbrüche seitens der US-Regierung ist das Reservat, hauptsächlich bewohnt von Oglala-Sioux-Indianern, auf eine winzige Fläche geschrumpft.

Vier Jahre lang ist die chinesischstämmige US-Filmemacherin Chloé Zhao immer wieder hierhergekommen. Sie hat die verstreut liegenden Siedlungen besucht, Gespräche geführt, Kontakte geschlossen, Laiendarsteller gefunden – und einen Spielfilm gedreht, der das Leben der Menschen mit Eindrücklichkeit beschreibt. Songs My Brothers Taught Me erzählt von der Geschichte dieses Landes und ihren Auswirkungen auf die Gegenwart.

Deutlich wird dieser Zugang bereits in der Erzählung rund um die elfjährige Jashaun (Jashaun St. John), die sich langsam aus Momentaufnahmen und Alltagsbeobachtungen herausschält. Nach dem Tod des Vaters, eines berühmten Rodeoreiters, kümmert sich der ältere Bruder Johnny (John Reddy) um sie. Doch diese Fürsorge ist nicht einseitig, denn auch Johnny ist noch nicht in der Welt der Erwachsenen angekommen: Als ob er die Last der Geschichte und jene, die das Schicksal der Familie bestimmt, noch nicht anzunehmen bereit ist, möchte er sich die unbeschwerten Momente mit der Schwester teilen. Wenn es die beiden hinaus in die Landschaft treibt und die beiden spielerisch durchs Gras stolpern, sind das Augenblicke kindlicher Hoffnung.

Während der älteste Bruder eine Gefängnisstrafe absitzt und die Mutter ihr Heil im Glauben und im Trinken sucht, dealt Johnny mit im Reservat streng verbotenem Alkohol, um seiner Freundin nach Los Angeles folgen zu können. Ein Geschäft mit gefährlichen Konsequenzen, denn auch unter den Ärmsten sind die Machtverhältnisse klar abgesteckt, und wer entsprechende Warnungen in den Wind schlägt, für den gibt es kein Entkommen.

Songs My Brothers Taught Me bemüht sich nicht um falschen Optimismus. Diesem Film geht es nicht darum, zu erzählen, dass, wenn man nur an sich glaubt, irgendwann alles besser werden wird. Doch dieser Film erzählt davon, dass, wenn man es nicht tut, für jeden Einzelnen alles so bleiben wird, wie es ist. (Michael Pekler, 27.10.2015)