Durch selektive Züchtung des weißen Plymouth Rock Huhns wurde bereits nach 50 Generationen ein zehnfacher Größenunterschied erzielt.

Foto: Virginia Tech/John McCormick

York – Für lange Zeit waren Wissenschafter der Meinung, dass Evolution bei höheren Tieren sehr langsam verläuft: Die Änderungsrate im mitochondrialen Genom sollte nicht mehr als etwa zwei Prozent pro Million Jahren betragen. Mitochondrien sind jene Organellen, die für die Energiegewinnung der Zelle zuständig sind. Als einzige Zellorganellen besitzen sie ein eigenes Genom, die mitochondriale DNA oder kurz mtDNA. Sie wird gerne für Stammbaumanalysen herangezogen, da sie – bis auf seltene Ausnahmen – nur maternal, also über die Mutter, vererbt wird. Alle Nachkommen einer Mutter haben die gleiche mtDNA, eine Linie kann über viele Generationen zurückverfolgt werden.

Eine jüngste Studie von Forschern der Oxford University kam nun zu einem anderen Ergebnis: Durch die Analyse von Hühnern einer Langzeit-Zuchtreihe fanden die Wissenschafter um Greger Larson heraus, das innerhalb von nur 50 Jahren zwei Mutationen in der mtDNA stattgefunden hatten. Dies zeigte, dass die Evolution bei den Hühnern tatsächlich 15 mal schneller stattgefunden hatte als erwartet.

Selektive Züchtung

Die Forscher analysierten eine gut dokumentierte Zuchtreihe von weißen Plymouth Rock Hühnern, die an der Virginia Tech gezüchtet worden waren. Durch selektive Verpaarung der Hühner wurde ein über zehnfacher Größenunterschied in zwei Zuchtlinien erzielt, seit die Züchtung im Jahr 1957 gestartet war. In der Studie wurden Blutproben von jeweils zwölf Hühnern aus beiden Linien pro Generation untersucht. So konnte rekonstruiert werden, wie die mtDNA der Mutter über Generationen hinweg an die Töchter weitergegeben wurde.

"Unsere Beobachtungen zeigen, dass Evolution rasch verläuft", so der Koautor der kürzlich im Fachblatt "Biology Letters" erschienen Studie. "Da wir Evolution aber normalerweise über längere Zeiträume untersuche, entgeht uns das meistens." Wäre Evolution tatsächlich in der bisher vermuteten Geschwindigkeit von zwei Prozent pro Million Jahren erfolgt, dann hätten die Forscher nicht einmal eine einzelne, geschweige denn zwei Mutationen innerhalb von 50 Jahren beobachten können.

Gene der Väter

Eine weitere neue Erkenntnis: Durch die genaue Sequenzierung der DNA über die Generationen entdeckten die Forscher auch einen Fall von paternaler mtDNA, also von mitochondrialen Genen, die vom Vater weitergegeben worden waren. Diese Entdeckung könnte darauf hindeuten, dass dieses Phänomen gar nicht so selten ist, wie bisher angenommen.

"Beide unsere Entdeckungen – die rasche Änderungsrate und auch die Weitergabe paternaler mtDNA – unterstreichen das Tempo und die Dynamik von Evolution, wie sie nur in Kurzzeitstudien sichtbar wird", betont Larson. (rede, 22.11.2015)