In "Licht – Kraft – Not" (2007) illusioniert Markus Proschek den alten, noch heute die zweifelhafte politische Ästhetik der 1930er-Jahre spiegelnden Sicherungskasten im Münchner Haus der Kunst.


Foto: Markus Proschek / faksimile digital

Wien – Die Trauben, die so lebensnah, so täuschend echt gemalt wurden, dass die Vögel an ihnen pickten, wer kennt sie nicht, diese Anekdote. Dabei war Zeuxis von Herakleia, der als bester unter den antiken griechischen Malern galt, eigentlich der Gefoppte.

Denn das Bild mit den trügerischen Trauben, so erzählt es Plinius der Ältere, entstand bei einem Wettstreit mit Parrhasius. Und dieser vermochte nicht nur die Piepmätze an der Nase herumzuführen, sondern seinen berühmten Rivalen selbst. Als Parrhasius sein Gemälde präsentierte, bat Zeuxis, er möge doch endlich den Vorhang beiseiteschieben, damit er das Bild dahinter betrachten könne. Der Vorhang war aber nur eine Augentäuschung, ein sogenanntes Trompe-l'OEil.

Erhalten hat sich zwar nur die Geschichte dieses antiken Pinselwetzens, aber in Pompeji existieren tatsächlich noch Beispiele solcher Täuschungsmanöver, die nun auch in der Schau Revers de Trompe im Xhibit der Akademie der bildenden Künste eine Rolle spielen. So zeigen dort Fresken Scheinarchitekturen, deren Fensteröffnungen den Blick auf wieder andere Architekturen freizugeben scheinen. Zu einer richtigen Mode in der Malerei wurde das Trompe-l'OEil allerdings erst wieder in der Renaissance.

Der Herausragendste und Eifrigste unter den Schwindelkünstlern war der Flame Cornelis Gijsbrechts, der es nicht allein bei Stillleben-Motiven beließ, sondern direkt dort weitermachte, wo Parrhasius aufgehört hatte: Seine Rückseite eines gerahmten Gemäldes aus dem Jahr 1670 zeigt etwa genau das – die fleckige Rückseite einer auf einen Keilrahmen gespannten Leinwand, inklusive eines auf sie gepinnten Zettelchens – genau genommen aber nur die Illusion davon.

Flucht vor der Kritik

Unter den Referenzen der Gegenwartskunst ist das Bild so etwas wie eine Ikone, zeigt es doch, wie die Malerei jener Zeit bereits ihre Bedingungen – etwa die Möglichkeiten des Mediums und die Erwartungshaltung der Betrachter – reflektierte. Sehr unmittelbar bringt das eine Augentäuscherei des Spaniers Pere Borrell del Caso auf den Punkt, die entstand zwar erst im 19. Jahrhundert, ist aber nicht minder genial. Flucht vor der Kritik heißt das Bild und zeigt einen Bauernjungen, klassisches Motiv der Genremalerei, der gerade im Begriff ist, aus dem Rahmen zu klettern.

Man könnte jetzt das eine oder andere wunderbare Beispiel der Kunsthistorie und ihre Zitate in der Gegenwartskunst (Gerard Byrne flirtet etwa derzeit im 21er-Haus im Medium Fotografie mit Gijsbrechts) folgen lassen, aber das würde zu sehr in die Vergangenheit führen. Der Exkurs ist dennoch gutes Rüstzeug für Revers de Trompe, wo es ja nicht nur um das Fortleben illusionistischer Techniken in der heutigen Kunst gehen soll. Im Zeitalter der schier unbeschränkten bildlichen Möglichkeiten drängte sich für Kurator und Künstler Siegfried Zaworka auch die Frage der Verführung durch Hypersimulation (Jean Baudrillard) auf. Weil die medienphilosophische Unterfütterung fehlt, bleibt dies Ansinnen allerdings diffus. Überzeugende Arbeiten hat man dennoch zu bieten.

Der Spiegel als raumtäuschendes Element schlechthin fährt etwa bei Nicole Six und Paul Petritsch in Form einer kinetischen Spiegelwand kaum merklich durch den Raum. Zart wie zauberhaft die Stickereien von Doris Theres Hofer, Präzisionen, die das oft der Fahrigkeit geschuldete Ungestaltete – wie Farbkleckse oder Kaffeeflecken – imitieren. Oder auch Domenico Mühe, der nicht nur ein Trompe-l'OEil-Bild der Gemäldegalerie, das einen Wandschrank zeigt, kopierte, sondern auch dessen in die Wand eingelassene Präsentation. (Anne Katrin Feßler, 28.10.2015)