"Eigentlich wohnen wir hier seit 27 Jahren. Aber in gewisser Weise erst seit einem Jahr. Wie man's nimmt. Wir sind 1988 eingezogen, und eines Tages haben wir beschlossen, das Haus umzubauen. Ein alter jüdischer Witz nämlich lautet: 'Streiten ein katholischer und evangelischer Pfarrer mit einem Rabbi über die Frage, wann das Leben beginnt. Der katholische sagt: Na ganz klar, im Moment der Zeugung. Der evangelische sagt: Na ja, so ab dem dritten Monat. Und dann der Rabbi: Nebbich! Das wahre Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund tot ist.'

"Wir haben einfach ausprobiert!" Die beiden Theatermacher Michael und Nora Scheidl mit Kachelofen Louis im zusammengelegten Wohnzimmer.
Foto: Lisi Specht

Das Haus selbst stammt aus dem Jahr 1909 und steht in Klosterneuburg, am Hang des Kahlenbergs. Es hat 160 Quadratmeter und ist unheimlich intelligent geplant. Im Grunde genommen ist das eine Jahrhundertwende-Reihenhausanlage, die von zwei, drei Baumeistern gebaut wurde. Nach vorne hin wird auf schön gemacht, innen sind die Häuser alle gleich, und an der Hinterseite umschließen sie eine riesige Grünfläche, sodass man manchmal das Gefühl hat, irgendwo in London zu sein. Etwas weniger positiv formuliert könnte man sagen: Wir wohnen hinter einer einzigen Potemkin'schen Fassade, wo hinten nichts ist, wie es vorne scheint.

Und dann der Umbau. Der hat vier Monate gedauert. In dieser Zeit sind wir zu unseren Nachbarn, den besten der Welt, gezogen. Und ja, wir sind immer noch befreundet. So nah zu wohnen war sehr praktisch, denn mehr oder weniger haben wir von unserem Dachstübchen aus direkt auf die Baustelle runterschauen können. Das hat die örtliche Bauaufsicht immens erleichtert. So nach dem Motto: 'Hallo, ich seh genau, was Sie da machen!'

Im Obergeschoß ist bis auf das neue Bad alles mehr oder weniger gleich geblieben. Aber im Erdgeschoß ist fast kein Ziegel auf dem anderen geblieben. Wir haben zwei Durchbrüche gemacht und damit die zwei Wohnzimmer und das ehemalige Bad zu einer großen Wohnküche zusammengelegt. Die Stahlträger haben wir zum Teil sichtbar belassen. Außerdem neues Badezimmer, neue Heizung, neue Elektrifizierung, das waren noch Stoffkabel, Estrichboden in der Küche, Mauerdurchbruch zum Garten hin, großes Fenster mit Tür und davor eine schöne Holzterrasse. Das Schöne war, dass wir vieles spontan geplant haben, direkt vor Ort, so wie wir das ja aus unserer Arbeit als Theatermacher gewohnt sind. Da kann man alles ausprobieren. Die Küche haben wir als 3-D-Modell aus Kartons aufgebaut, die Durchbrüche haben wir mittels Klebebändern an die Wand gepickt, die Möbel haben wir mit Tixo visualisiert. Das hat wunderbar funktioniert. Es war, als ob wir das Bühnenbild für unser nächstes Stück entwerfen und planen würden. Wir waren in unserem Element.

Der Umbau war für uns eine Art Katharsis. Wenn man so lange Zeit in einem Haus wohnt, dann sammelt sich vieles an, dann ist man irgendwann betriebsblind und weiß gar nicht mehr, was einem eigentlich gefällt und was nicht. So wie zum Beispiel die Biedermeier-Möbel, die wir früher hatten. Wir haben uns daran komplett sattgesehen. Nie wieder Biedermeier! Doch dafür haben wir jetzt beide einen kleinen Sesselsammeltick, was man an den vielen herumstehenden Stühlen – und nein, es sind nicht alle in Gebrauch – gut sehen kann. Der Esstisch ist das durchchoreografierte Zentrum des Hauses. Hier findet das Leben statt.

Unser absolutes Lieblingsstück aber ist der Louis, der weiße Kachelofen im Eck, den wir in einer Wiener Altbauwohnung entdeckt haben. Und wissen Sie, was das Beste war? Unser Baumeister, der das alles umgesetzt hat, ist ehemaliger Opernsänger. Ist das nicht großartig?" (2.11.2015)