Hebron/Tel Aviv – Im Westjordanland hat es am Samstag neue Gewalt zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. In Hebron kam es zu Krawallen zwischen steinewerfenden Palästinensern und israelischen Soldaten, als dort die Leichen von fünf mutmaßlichen palästinensischen Attentätern bestattet wurden. In Tel Aviv sollte indes am Abend die Ermordung von Ex-Premier Yitzhak Rabin erinnert werden.
Tausende Palästinenser versammelten sich am Samstag in Hebron, um die fünf Jugendlichen, darunter zwei junge Frauen, zu beerdigen. Sie schwenkten palästinensische Flaggen und riefen "Wir werden sterben, aber Palästina wird weiterleben". Ein weiterer Palästinenser wurde im besetzten Ostteil Jerusalems beigesetzt. Am Freitagabend war bereits ein Palästinenser in Jenin im Westjordanland bestattet worden.
Sieben Leichen freigegeben
Nach israelischen Angaben waren sie für Messerattacken oder versuchte Messerangriffe auf Soldaten verantwortlich. Die Leichen der mutmaßlichen Attentäter waren bisher von den israelischen Behörden als Abschreckungsmaßnahme zurückgehalten worden, um weitere Angriffe zu verhindern. Am Freitag war mitgeteilt worden, dass sieben Leichen freigegeben worden seien, offenbar um die angeheizte Lage zu beruhigen. Die Familien der getöteten Palästinenser beklagen die Praxis der Zurückhaltung der Leichen als "kollektive Bestrafung".
Die israelische Armee hat am Samstag bestritten, für den Tod eines acht Monate alten palästinensischen Buben in Bethlehem verantwortlich zu sein. Das palästinensische Gesundheitsministerium im israelisch besetzten Westjordanland hatte zuvor mitgeteilt, das Baby sei am Freitag in seinem Elternhaus an von Soldaten abgefeuertem Tränengas erstickt.
Dazu hieß es jetzt in einer Erklärung der Streitkräfte, Untersuchungen hätten ergeben, dass es "keinerlei Zusammenhang zwischen dem Armeeeinsatz und dem tragischen Tod des Kindes" gebe. Tränengas wurde demnach in "dutzenden Metern Entfernung" vom Haus der Familie verwendet. Keines der bei Zusammenstößen mit palästinensischen Jugendlichen eingesetzten Mittel zu deren Vertreibung sei auf das Haus gerichtet gewesen. An der Beerdigung des Buben nahmen am Samstag Hunderte Menschen teil.
Die Spannungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften haben seit Anfang Oktober wieder stark zugenommen. In Jerusalem und im Westjordanland, vor allem rund um Hebron, kommt es seit fast einem Monat ständig zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und steinewerfenden palästinensischen Jugendlichen. Überdies gibt es täglich Messerangriffe auf Israelis.
Dutzende Tote
Am Samstag wurde erneut ein mit einem Messer bewaffneter Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften erschossen. Der Mann sei von Jenin im besetzten Westjordanland auf dem Weg nach Israel gewesen und habe sich einem Kontrollposten genähert, teilte die Polizei mit. Die Grenzpolizisten hätten das Feuer auf den mutmaßlichen Angreifer eröffnet, bevor er sie habe angreifen können.
Insgesamt wurden bei den Anschlägen seit Anfang Oktober bisher neun Israelis getötet. Im Zuge der Unruhen starben im gleichen Zeitraum 66 Palästinenser und ein arabischer Israeli, bei mehr als der Hälfte von ihnen handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter.
Auch am Freitag hatte es im Westjordanland wieder schwere Zusammenstöße gegeben. Bei einem Tränengas-Einsatz der israelischen Streitkräfte erstickte dabei ein acht Monate alter palästinensischer Bub, wie das palästinensische Gesundheitsministerium bekannt gab. Zuvor hatte ein Palästinenser in Jerusalem bei einer Messerattacke einen US-Touristen verletzt, bevor der Angreifer erschossen wurde.
In Tel Aviv liefen am Samstag indes die Vorbereitungen für eine Gedenkveranstaltung zur Ermordung des früheren israelischen Regierungschefs Rabins vor 20 Jahren. Ex-US-Präsident Bill Clinton sollte bei der Veranstaltung eine Rede halten. Rabin war am 4. November 1995 von einem jüdischen Rechtsextremisten erschossen worden. Rabin und der frühere Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yasser Arafat, hatten 1993 als Gäste von Clinton ein in Oslo ausgehandeltes Friedensabkommen unterzeichnet. Seit der Ermordung Rabins gab es zwar weitere Verhandlungsrunden, die jedoch keine Ergebnisse brachten. Derzeit liegen die Friedensgespräche vollständig auf Eis. (APA, 31.10.2015)