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Schlange stehen für das Geld: Im Juni 2014 war tagelang Bankrun auf die KTB, das viert größte Geldinstitut in Bulgarien. Danach musste die Zentralbank eingreifen. Erst nach Wahlen im November 2014 fiel die Entscheidung, die Bank für insolvent zu erklären.

EPA / Ladislav Tsvetkov

Sofia/Wien – Bulgarien hat ein weiteres Verfahren beim Internationalen Schiedsgericht der Weltbank in Washington am Hals. Dieses Mal klagt nicht das niederösterreichische Energieunternehmen EVN, sondern ein staatlicher Fond des Sultanats von Oman. Die Herren vom Golf sehen sich um wenigstens 150 Millionen Euro gebracht. Auf so viel belief sich der Buchwert des Anteils der Omaner an der Oligarchenbank KTB (CCB; Corporative Commercial Bank), bevor der bulgarische Staat das Geldinstitut in Konkurs gehen ließ.

Ein Jahr nach dem Lizenzentzug steht Bulgariens größte Finanzaffäre seit dem Bankenkollaps von 1996 aber noch an ihrem Anfang. Und die 150 Millionen der Omaner nehmen sich angesichts des bisher errechneten Lochs in den KTB-Kassen eher lässlich aus. Mehr als zwei Milliarden Euro an nicht gedeckten Verbindlichkeiten wollen Bankenprüfer im vergangenen Jahr entdeckt haben. Einen neuen Bericht der New Yorker Unternehmensberater Alix Partners – im vergangenen September fertiggestellt – halten die Behörden noch unter Verschluss.

Firmendschungel

Um die Konkursmasse der KTB wird nun gekämpft. Zwei vom Staat eingesetzte Verwalter – Rossen Angeltschew und Lasar Ilijew – durchforsten den Firmendschungel der Bank und ihres Mehrheitseigners Tswetan Wassilew, um das Geld einzutreiben, das Bulgariens Steuerzahlern für den KTB-Kollaps aufgebürdet wurde. Knapp eine Milliarde Euro Kredit musste die Regierung vor einem Jahr aufnehmen, um die staatlich garantierten Einlagen in Höhe von 100.000 Euro für Kontenbesitzer auch tatsächlich auszahlen zu können; das Geld im staatlichen Einlagensicherungsfonds BDIF hatte nicht gereicht.

Die Assets der Bank vom Mobilbetreiber Vivacom über die Mineralölgesellschaft Petrol bis zu Rüstungsunternehmen, Winzereien und Immobilien wecken Begehrlichkeiten bei Wassilews zahlreichen Gegnern. Doch auch der Banker selbst, der unbeschadet eines Auslieferungsantrags der Sofioter Justiz seit eineinhalb Jahren in Belgrad ausharrt, müht sich offensichtlich, seine Unternehmen an den Verwaltern vorbei aus der Konkursmasse zu lösen.

Vivacom-Verkauf

So wird etwa die jüngste Ankündigung der russischen Großbank VTB, Bulgariens größtes Telekomunternehmen Vivacom zu verkaufen, als Schachzug Wassilews verstanden: Hinter dem Anteil von VTB bei Vivacom als auch bei KTB soll in Wahrheit zu einem bedeutenden Teil der Bankchef selbst stehen, so versichern Insider in Sofia, die mit den Interna der Bank vertraut sind.

Zessionen sollen ein anderer Weg sein, den Wassilews Vertreter in Bulgarien beschreiten, um Unternehmen, die hohe Verbindlichkeiten bei der insolventen KTB haben, mit einem Streich zu entschulden. Das investigative Nachrichtenportal Bivol berichtete als erstes von Vereinbarungen, die Grischa Gantschew, Chef von Petrol und des kleinen Autobauers Litex, mit Kontenbesitzern der KTB traf, die hohe Einlagen bei der Bank haben. Sie traten ihre Forderungen an den Unternehmer ab; dafür erhielten sie die Zusicherung, zu einem späteren Zeitpunkt zumindest einen Bruchteil ihrer Kapitaleinlage erstattet zu bekommen.

Spielraum im Gesetz

Eindeutig illegal sind die Zessionen nicht; zumindest nicht für die Zeit zwischen der Übernahme der KTB unter die Aufsicht der Nationalbank (20. Juni 2014) und der rückwirkend erklärten, offiziellen Insolvenz (6. November 2014). Die Änderung des Bankeninsolvenzgesetzes im Gefolge der KTB-Affäre gibt den Konkursverwaltern aber größere Möglichkeiten des Einspruchs, erklärt der Sofioter Unternehmeranwalt Alexander Angelow. Seinen Angaben zufolge wird das Volumen der Zessionen bei der KTB auf 800 Millionen Lewa geschätzt, umgerechnet 407 Mio. Euro.

Wassilew soll im Kreis gewirtschaftet haben: Millionenkredite gingen an Chauffeure, Sekretärinnen, Leibwächter der Bank. Sicherheiten waren nicht gefragt. Die Summen sollen über Offshore-Unternehmen wieder an Wassilew und seine Geschäftspartner zurückgeflossen sein, so stellte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss fest. Sie wurden für neue Investitionen verwendet, die zeigen sollten, wie stark und solide die Finanzen der Bank seien. KTB zahlte die höchsten Zinsen im Land, Wassilew wurde einer der größten Investoren in Bulgarien. Das Karussell drehte sich aber immer schneller, je größer der Bedarf der Bank an frischem Kapital wurde; im Sommer 2014 flog alles auseinander.

"Alle wollen Geld"

Ganz allein konnte Wassilew sein Karussell aber schwerlich in Gang halten. Politiker, Bankenaufsicht, Justiz und Wirtschaftsprüfer in Bulgarien zogen mit oder sahen zumindest weg. "Alle Parteien kommen zu mir und wollen Geld", klagte Wassilew in einem Gespräch während des Parlamentswahlkampfs im Frühjahr 2013 und nannte die heute wieder regierende konservative Partei Gerb von Premier Boiko Borissow, die Sozialisten und die Unternehmerpartei DPS, die von der türkischstämmigen Minderheit gewählt wird. Eine große Zahl bulgarischer Staatsunternehmen – vor allem aus dem Energiesektor – hielt ihre Einlagen bei der KTB; dass sie dies ohne Unterstützung der Politik taten, scheint wenig glaubhaft.

Gegen drei Mitarbeiter bei KPMG in Sofia leitete die Justiz im April dieses Jahres Verfahren wegen mutmaßlich manipulierter Prüfberichte von 2009 bis 2013 über die KTB ein; KPMG wurde zur Zahlung von umgerechnet 51.000 Euro verurteilt, um den Entzug der Lizenz für Bulgarien kam das Unternehmen herum. Anklage wurde auch gegen zwei Vizegouverneure der Zentralbank erhoben. Der Gouverneur selbst, Iwan Iskrow, trat Ende Juni, drei Monate vor Ablauf seiner Amtszeit, auf Druck von Politik und Öffentlichkeit zurück. Er war seit 2003 Zentralbankgouverneur, demselben Jahr, in dem Tswetan Wassilew Mehrheitseigner der KTB wurde. Ein vergangene Woche erschienener Bericht des Internationalen Währungsfonds sieht einige Mängel bei der Bankenaufsicht der bulgarischen Zentralbank. Wassilew selbst weist alle Anschuldigungen der Untreue und der Bestechung zurück. Die Ermittlungen gegen den Banker könnten noch eineinhalb Jahre dauern, heißt es in Sofioter Justizkreisen. (Markus Bernath; 01.11.2015)