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Massive Kritik an den Plänen für private Schiedsgerichte (ISDS) im Rahmen des US-europäischen Freihandelsabkommens TTIP bewegte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vor kurzem zu einer Kehrtwende.

Foto: Reuters/Dalder

Wien – Angesichts massiver Kritik an den Plänen für private Schiedsgerichte (ISDS) im Rahmen des US-europäischen Freihandelsabkommens TTIP hat EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vor kurzem eine Kehrtwende vorgenommen und als neue EU-Verhandlungsposition die Einrichtung eines offiziellen Schiedsgerichtshofs präsentiert, der Konflikte zwischen Investoren und Staaten beilegen soll. Der Vorschlag sei tatsächlich ein Weg, um ISDS politisch zu retten, sagt Nigel Blackaby, Co-Chef für internationale Schiedsgerichtsbarkeit bei Freshfields in Washington. Aber er bezweifelt, dass ein solcher Gerichtshof in der Praxis bessere Ergebnisse liefern würde als Ad-hoc-Schiedsgerichte, wo beide Seiten je einen Richter ernennen und diese dann den dritten.

"In der Substanz ändert sich dadurch gar nichts, denn die Standards, nach denen geurteilt wird, bleiben die gleichen", sagte Blackaby in einem Standard-Gespräch in Wien. "Und die Frage eines ständigen Gerichtshofs wird schon seit einem Jahrzehnt diskutiert." Bei der Weltbank gebe es mit dem International Center for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) eine Einrichtung, die sich zu einem ständigen Gerichtshof weiterentwickeln könnte, doch sei dieser nur für wenige Fälle im Jahr ausgerichtet. Sollte die Zahl der Causen unter TTIP steigen, wäre eine permanente Richterschaft gut vorstellbar.

Blackaby hat allerdings auch mehrere Bedenken gegen dieses Vorhaben: Bei Ad-hoc-Schiedsgerichten könnten beide Seiten Personen nominieren, die in der Sache besonders kompetent und erfahren sind; dies wäre bei einem ständigen Gerichtshof nicht der Fall. Schon jetzt würde das ICSID häufig den Vorsitzenden ernennen, weil sich die Streitparteien – Konzern und Staat – auf keinen Dritten einigen können. Die Kandidaten dafür würden von den Staaten ernannt und seien oft wenig qualifiziert. Bei einem ständigen Gerichtshof würden dann alle drei Richter von einer solchen, viel kleineren Liste kommen.

Ausgewogenes System

Das jetzige System sei nicht weniger ausgewogen, denn beide Seiten seien gleichberechtigt, und auch die Konzerne seien bestrebt, Richter zu ernennen, von denen sie sich zwar Verständnis erhoffen, die aber dennoch über viel Glaubwürdigkeit verfügen. "Ist der Richter zu einseitig, dann kann er die anderen weniger gut beeinflussen", sagt Blackaby.

Der Schiedsrecht- und Lateinamerikaexperte zweifelt auch daran, dass es unter TTIP gar so viele Streitfälle geben wird, die einen ständigen Gerichtshof rechtfertigen. Unter dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) habe es nur wenige Fälle im Jahr gegeben, "und die USA wurden in 20 Jahren kein einziges Mal verurteilt. Auch unter TTIP werden sich die Schleusen nicht öffnen, denn beide Seiten haben gut funktionierende Rechtsstaaten."

Grundsätzlich würden Konzerne vor Klagen gegen Regierungen zurückschrecken, denn dies sei schlecht fürs Geschäft. Auch sei es etwa bei einer Änderung der Gesetzgebung schwer, jene Diskriminierung zu beweisen, die zur Verurteilung eines Staates führen kann. "Man muss selbst betroffen sein und eine politische Motivation belegen", sagt Blackaby. Deshalb würden ISDS-Kritiker in der Öffentlichkeit stets nur Klagen anführen, aber nie konkrete Urteile. (Eric Frey, 2.11.2015)