Bild nicht mehr verfügbar.

Die Werkstätten, in denen VW-Dieselautos kommendes Jahr umgerüstet werden sollen, schauen wohl ordentlicher aus als dieser Gebrauchtzubehörhändler in Bosnien. Viele Kunden sind dennoch erzürnt.

Foto: Reuters/Davo Ruvic

Wien – Die gute Nachricht für alle VW-Besitzer: Die Konzernleitung von Volkswagen hat bereits zugestanden, dass Abgastests bei Dieselautos automatisiert manipuliert wurden. Damit steht außer Frage, dass es sich dabei um ein deliktisches (straf)gesetzwidriges Verhalten handelt, das Schadenersatzansprüche begründet. Aus diesem Grund wurden in den USA und in Kanada schon Sammelklagen sowohl von VW-Händlern als auch von VW-Käufern gegen den VW-Konzern eingebracht.

In Europa ist es noch deutlich ruhiger. Denkbare Klagsszenarien werden zwar öffentlich diskutiert, es ist jedoch noch wenig von einer Klagsflut zu spüren. Und dies, obwohl die betroffenen Marken (VW, Audi, Škoda, Seat) zu den in Europa populärsten und weitestverbreiteten Kfz-Marken zählen – und acht Millionen Fahrzeuge hier manipuliert worden sein sollen. Welche Ansprüche könnte ein betroffener Konsument, also ein Käufer eines solchen Fahrzeugs, nun geltend machen?

Möglichkeit 1: Kaufvertrag auflösen

Die sicherlich radikalste Lösung ist, den Kaufvertrag aufzulösen, das Auto zurückzugeben und den Kaufpreis zurückzuerhalten. Rechtsgrundlage dafür wäre die Behauptung, dass der Käufer das Fahrzeug in Kenntnis der wahren Abgaswerte nicht gekauft hätte. Aber: Dies hätte der Käufer im Verfahren unter Beweis zu stellen. Und derartige Ansprüche sind gegen den Verkäufer des Fahrzeugs, sohin den Fahrzeughändler und nicht den Hersteller zu richten. Diese erhebliche Beweislast zulasten des Kunden ist wohl einer der Gründe dafür, dass in Europa – soweit überblickbar – bis jetzt kaum Klagen anhängig gemacht wurden. Denn obwohl das Umweltbewusstsein in den letzten Jahren grundsätzlich gestiegen ist, dürfte noch immer nur eine absolute Minderheit der Kfz-Käufer ihre Kaufentscheidung von Abgaswerten abhängig machen. Dementsprechend ist es fraglich, ob die österreichischen Gerichte der Argumentation der Kläger folgen werden und einer Auflösung des Kaufvertrags stattgeben.

Möglichkeit 2: Preisminderung wegen schlechterer Abgaswerte

Weniger beweisintensiv ist hingegen die Geltendmachung einer Preisminderung, gestützt darauf, dass die Kaufpreisbildung auch die vorgeblichen besseren Abgaswerte berücksichtigt hat und daher nun weniger Kaufpreis zusteht; hier ist seitens der Kläger keine umfängliche Beweisführung nötig. Für die gerichtliche Entscheidung wird in diesen Fällen wohl ein Sachverständigengutachten ausreichen, welches im Wesentlichen einen Preisvergleich mit einem Kfz mit schlechteren Abgaswerten vornimmt, damit der Kläger einen Teil des Kaufpreises zurückerhält.

Möglichkeit 3: Preisminderung wegen Wertminderung

Die gleiche Logik wäre auch anzuwenden, wenn nach der Rückholaktion und "Reparatur", welche der VW-Konzern für 2016 angekündigt hat, die Geschwindigkeit der Fahrzeuge sinkt, der Treibstoffverbrauch ansteigt oder das Fahrverhalten schlechter wird. Auch in diesem Fall steht dem Kunden ein Anspruch auf Preisminderung gegen den Händler zu. Die Händler wiederum werden Schäden und Kosten, die ihnen entstehen, bei VW einfordern und haben aufgrund des strafbaren Verhaltens der VW-Manager auch gute Chancen, diese durchzusetzen.

Möglichkeit 4: Schadensersatz wegen merkantiler Wertminderung

Auch für die Frage des Wiederverkaufswertes hat "Dieselgate" wohl Auswirkungen. Das Vertrauen in die Marke "VW" ist erschüttert. Potenzielle Gebrauchtwagenkäufer könnten davon ausgehen, dass auch ein nach der Rückholaktion "bereinigter" VW-Motor allenfalls noch weiterhin unliebsame Eigenschaften aufweist, etwa die Lebensdauer verkürzt ist oder Ähnliches. Kurz gesagt, das Käufervertrauen wird, ähnlich wie bei Unfallautos, geringer sein, und dies wird zu einem geringeren erzielbaren Preis auf dem Gebrauchtwagenmarkt führen. Schon jetzt führt dieser Umstand als sogenannte "merkantile Wertminderung" dazu, dass der schuldige Lenker eines Verkehrsunfalles diesen Schaden dem Geschädigten auch zu ersetzen hat. Es wird diese Rechtsprechung wohl auch auf die von "Dieselgate" betroffenen Kfzs zur Anwendung gebracht werden.

Plattformen für Klagswillige

Möglichkeiten für diverse Klagen bestehen durchaus. Ob es nun auch in Europa zu einer Klagsflut wie in den USA kommt, wird wohl davon abhängen, wie einfach und bequem es insbesondere Konsumenten gemacht wird, ihre Forderungen einzuklagen. Konsumentenschützer und Anwaltskanzleien sind jedenfalls schon eifrig am Einrichten entsprechender Onlineplattformen und Kommunikationslösungen.

Auch die im VW-Konzern nunmehr angedachten "Eintauschprämien" scheinen dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Hier sollen schon im Vorfeld Massenklagen verhindert werden, indem potenzielle Kläger zur Rückgabe der Risikoautos bei großzügiger Bewertung dieser im Zuge des Neuwagenverkaufs motiviert werden sollen. (Mathias Preuschl, 2.11.2015)