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Guter Wille ist vorhanden, große Freude mit dem Treffen aber nicht: Handshake zwischen Japans Premier Shinzo Abe (li.), Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye und Chinas Premier Li Keqiang.

Foto: Reuters / Yonhap

Wer den Ruf der japanischen Regierung in Südkorea begreifen möchte, muss nur einen Blick auf die Umfragen werfen. Shinzo Abe, der Premier des Nachbarlandes, bekommt meist weniger Zustimmung als sein nordkoreanischer Gegenpart Kim Jong-un. Erst am Mittwoch wurden in einem Park im Seouler Zentrum zwei Bronzestatuen errichtet: Zwei Mädchen im Schulalter sitzen dort auf einem Stuhl, mit anklagendem Gesichtsausdruck. Sie sollen an die Zehntausenden erinnern, die die japanische Armee während des Zweiten Weltkriegs, vorwiegend aus Korea, unter falschen Versprechungen und Gewalt in die Zwangsprostitution gelockt hat.

Ähnlich wie vielen Koreanern mit Japan und China geht es auch Menschen in China und Japan, wenn sie zu ihren beiden großen Nachbarn befragt werden. Die Spannungen zwischen den drei Staaten, die wirtschaftlich so eng verknüpft sind, haben sich in den vergangenen Jahren teils massiv erhöht – dabei geht es vor allem um die noch immer unaufgearbeitete Geschichte, aber auch um konkrete politische Streitpunkte.

Frage des Nationalstolzes

Die weiterhin ungelösten Konflikte um mehrere Inselgruppen gelten überall als Frage des Nationalstolzes. Die trilateralen Treffen, die seit 2008 jährlich stattfinden sollten, wurden nicht zuletzt deshalb seit 2012 wieder abgesagt. Dass heuer nach vierjähriger Pause wieder miteinander gesprochen wird, ist vor allem wirtschaftlichem Druck zu verdanken.

Das Bild nach der ersten Zusammenkunft am Sonntag war vielsagend: Abe, Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye und Chinas Premier Li Keqiang posierten zum symbolischen Handshake – offenkundig mit wenig Freude, aber immerhin mit gutem Willen. "Wir sind übereingekommen, Frieden und Stabilität in der Region erreichen zu wollen", sagte Gastgeberin Park bei der Pressekonferenz. Zudem haben sich die drei darauf geeinigt, die Arbeit am geplanten und vor allem von China geforderten Freihandelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) zu verstärken.

Auch die USA spielen mit

Und man wolle sich bemühen, einen Ausbau des nordkoreanischen Atomarsenals zu verhindern, hieß es. Diesen Forderungen verlieh Südkorea gemeinsam mit den USA noch einmal Nachdruck, als US-Außenminister Ashton Carter just am Tag des Gipfels zu einem Besuch an der entmilitarisierten Zone zwischen Süd- und Nordkorea eintraf. Dort gab es auch eine deutliche Botschaft an China: Im Konflikt um die angeblichen chinesischen Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer würden die USA künftig ihre Militärpräsenz erhöhen – und die "sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit den Staaten in der Region ausbauen". Korea ist zwar nicht direkt in den Konflikt im Südchinesischen Meer involviert, verlässt sich aber im Streit um Gebiete im Ostchinesischen Meer auf die Unterstützung der USA.

China hatte sich schon vor dem Treffen bemüht, amerikanischer Kritik an der Zusammenkunft den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Hinter Chinas Angebot von mehr Kooperation versteckt sich keine verborgene Agenda", ließ die Regierung am Sonntag noch einmal die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua schreiben. Washington müsse "daran erinnert werden, dass zerstörte Beziehungen auch den US-Interessen schaden würden".

Der Kommentar tat so, als ob die USA Schuld am einstigen Abbruch der Dreiertreffen hätten und nicht der zwischen China und Japan ausgebrochene Territorialstreit um Inseln im Ostchinesischen Meer. Dabei war es Peking, das Mitte 2012 den Gipfel aufkündete und erst nun wieder aktivierte. Nach der ersten Runde sagte Premier Li am Sonntag, dass er sich eine Fortsetzung der "Kooperation mit Japan und Südkorea frei von allen Störungen" wünsche.

TPP sorgt für Sinneswandel in Peking

Pekings Sinneswandel kommt auch als Reaktion auf das trans atlantische Freihandelsabkommen TPP der USA mit zwölf Partnerländern. China steht dabei im Abseits. Als Gegenreaktion setzt es auf die Gründung eigener Freihandelszonen, etwa des RCEP. Immerhin, so betont Peking, stellten die drei Staaten zusammen im Vorjahr 70 Prozent der Wirtschaftsleistung in Asien und 21 Prozent des Weltprodukts.

Dass der Gipfel die historischen Probleme nicht lösen würde, war auch schon vor dem Gespräch Tenor in den Meinungsspalten südkoreanischer Zeitungen: "Man macht sich keine großen Hoffnungen für das Treffen – auch weil dieses im Grunde unter Druck der USA stattfindet. Was wir wirklich von Japan erwarten würden – nämlich eine Entschuldigung wegen der sogenannten Trostfrauen –, wird ohnehin nicht passieren", sagte Cho Hong-min, Außenpolitik-Ressortchef der liberalen Tageszeitung "Kyunghyang Shinmun".

Japans Premier Abe bezeichnete den ersten Gipfel mit China und Südkorea seit 2012 hingegen als einen Durchbruch. Die japanische Regierung hatte immer auf die Wiederaufnahme der Gipfeltreffen gedrängt, die ja maßgeblich deshalb mehrfach verschoben worden waren, weil Tokio mit China um die Senkaku/Diaoyu-Inseln stritt und weil Abe nicht bereit war, sich für die Zwangsprostitution zu entschuldigen.

Japan will über die Zukunft sprechen

Nicht ohne Überheblichkeit hatten Beamte aus seinem Umfeld stets vorhergesagt, dass es auch so irgendwann wieder zu Verhandlungen kommen müsse. Insofern ist die japanische Seite jetzt nicht ohne Triumphgefühl. Und in diesem Sinne ist es auch zu verstehen, dass im Vorfeld des Gipfels von japanischer Seite stets zu hören war, dass man sich vor allem "ganz praktischen Fragen" wie gegenseitiger Katastrophenhilfe und dem Umweltschutz stellen wolle. Die Außen- und Sicherheitspolitik sollten hingegen – abseits der Gespräche über Nordkorea – keine großen Themen sein. Japan muss sich so vorerst nicht der Geschichte stellen.

In Tokio weiß man, dass man sich das wohl auch leisten kann. Denn Südkoreas Park Geun-hye steht unter Druck, zumindest den wirtschaftlichen Austausch mit Japan zu verbessern. In Südkorea befürchten nämlich viele Ökonomen, als fünftes Rad am Wagen dazustehen, wenn sich die Beziehungen zwischen Japan und China weiter entspannen. Deshalb hat neben Peking auch Südkorea besonderes Interesse am RCEP-Freihandelsabkommen.

"Zeichen der Détente"

Und Anzeichen einer solchen Entspannung zwischen Tokio und Peking gab es nach dem Treffen tatsächlich: Man wolle die gegenseitigen Außenministerbesuche wiederaufnehmen, hieß es in einer Mitteilung der japanischen Regierung. Im kommenden Jahr solle zudem der bilaterale Dialog zwischen den Regierungen ausgebaut werden. Und auch die Gespräche über die gemeinsame Ausbeutung der Ressourcen im Ostchinesischen Meer – die man schon 2008 einmal begonnen hatte – sollen wiederaufgenommen werden. Chinas Nachrichtenagentur Xinhua sprach darob von einem "Zeichen einer Détente".

In Südkorea und Japan wurde am Sonntag mit einem Vieraugengespräch zwischen Abe und Park gerechnet, das Montagfrüh stattfinden sollte. Abe hatte im Vorfeld eingewilligt, dass er dabei auch über die "unangenehmeren Themen" aus der gemeinsamen Geschichte sprechen werde. (Fabian Kretschmer aus Seoul, Siegfried Knittel aus Tokio, Johnny Erling aus Peking, 1.11.2015)