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Nicht immer gern gesehen von den Arbeitgebern in Österreich: ältere und damit teurere Beschäftigte.

Foto: EPA/Weigel

Wien – Die Lage am Arbeitsmarkt ist katastrophal, die Arbeitslosenquote hat den höchsten Stand in der Zweiten Republik erreicht. Die Klagen über den Zustand der heimischen Wirtschaft werden lauter. Allerdings gibt es im Meer der schlechten Nachrichten auch einen Lichtblick: Nicht nur die Zahl der Menschen ohne Job ist auf einem Allzeithoch, sondern auch die Zahl der Beschäftigten.

Etwa 3,58 Millionen unselbstständig Erwerbstätige gibt es laut Sozialministerium im Land. Damit hatten im September 30.000 Menschen mehr eine Arbeitsstelle als vor einem Jahr. Die heimischen Unternehmen schaffen weiterhin Jobs, nur bei weitem nicht genug, um den Bedarf zu decken.

Dass die Zahl der Arbeitssuchenden steigt und in den kommenden Jahren weiter steigen wird, liegt laut Ökonomen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo an drei Faktoren. Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte nimmt zu (Flüchtlinge, Migranten). Die Frauenerwerbsbeteiligung steigt. Schließlich sorgen Verschärfungen bei Frühpensionen dafür, dass mehr ältere Menschen Arbeit brauchen. Die Einschränkung der Hacklerpension und zusätzliche Abschläge bei einem früheren Pensionsantritt zeigen Wirkung. Laut Wifo werden im Jahr 2020 fast 40 Prozent der 60- bis 64-Jährigen arbeiten. Zuletzt lag diese Quote bei ungefähr 25 Prozent.

Einigung auf Bonus-Malus-System

Zu den großen Herausforderungen der Politik zählt also die Frage, wie man dafür sorgen kann, dass ältere Beschäftigte nicht in die Arbeitslosigkeit rutschen. Die Regierung hat am Freitag versucht, eine erste Antwort zu geben. Bei ihrem Arbeitsmarktgipfel haben sich SPÖ und ÖVP auf ein Bonus-Malus-System geeinigt. Im kommenden Jahr soll für jede Branche eine Quote berechnet werden, die festlegt, wie hoch die Beschäftigung von Menschen über 55 Jahre sein sollte.

Im Regierungsprogramm haben sich SPÖ und ÖVP schon 2013 auf genaue Zielwerte dazu verständigt, wie sich Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern jenseits der 55 entwickeln sollen. Ob diese Zielwerte verwendet werden oder für jede Branche einfach die aktuelle Quote als Maßzahl herangezogen wird, ist noch nicht klar. Firmen, die ihre Quote nicht erfüllen, müssen jedenfalls ab 2018 für jeden Mitarbeiter eine höhere Auflösungsabgabe bei Kündigung zahlen. Die Summe steigt von 118 auf 236 Euro. Das ist der Malus. Der Bonus: Bis zum 60. Lebensjahr müssen Unternehmen für Mitarbeiter derzeit 4,5 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Lohnsumme in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen. Wer mehr Ältere beschäftigt, zahlt künftig um 0,1 Prozentpunkte weniger.

Blick zurück

Aber können solche Maßnahmen etwas bewirken? Hilfreich ist ein Blick zurück. Bereits zwischen 1996 und 2009 gab es ein System, bei dem mit Strafen und Belohnungen versucht wurde, ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu halten. Wer einen Mitarbeiter jenseits der 55 (später 50) einstellte, ersparte sich den Dienstgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung. Das Malus bestand aus einer Zahlung, wenn ein älterer Mitarbeiter, der länger als zehn Jahre im Betrieb gewesen war, gekündigt wurde.

Laut Sozialministerium musste ein Unternehmen pro Malus-Fall im Jahr 2008 rund 6700 Euro berappen. Über die Wirksamkeit des Systems gehen die Meinungen auseinander. Der Linzer Ökonom Rudolf Winter-Ebmer hat mit Kollegen die Folgen der Malus-Zahlungen untersucht. Zunächst hielten die Strafen Unternehmen nicht von Kündigungen ab. Doch nach Anhebung der Pönalen im Jahr 2000 änderte sich das Bild, sowohl bei "Frauen als auch bei Männern über 50 Jahre war ein deutlicher Rückgang der Kündigungswahrscheinlichkeiten zu beobachten", schrieb Winter-Ebmer. Die Forscher konnten auch keine Ausweicheffekte feststellen, die Kündigungen der 49-Jährigen stiegen also nicht an.

Im Sozialministerium bezeichnet man das alte System dagegen als nicht sinnvoll. Es habe viele Ausnahmen gegeben, etwa bei einvernehmlicher Auflösung. Deshalb sei der Lenkungseffekt kaum spürbar gewesen. Der Staat zahlte mehr ein, als er herausbekam. Der von den Arbeitgebern verhasste Bonus-Malus wurde im Zuge eines Jobpakets abgeschafft.

Niedrige Strafzahlungen

Bleibt die Frage, warum die Regierung glaubt, mit dem neuen System erfolgreicher sein zu können. Die Pönalen waren früher höher, 236 Euro werden keine Firma von einer Kündigung abhalten. Im Sozialministerium sieht man das genauso, verweist aber darauf, dass 2016 eine Bewusstseinsbildung gestartet werde. So soll die Wirtschaftskammer Gespräche mit Firmen führen, die ihre Quoten bei der Beschäftigung von Älteren nicht erfüllen.

Dem können auch die Forscher etwas abgewinnen. Der Ökonom Winter-Ebmer meint, dass ein Bewusstseinswandel bei Unternehmern und Dienstnehmern notwendig sei, damit Österreich einmal eine ähnlich hohe Quote an Altersbeschäftigten aufweist wie skandinavische Länder. "Verordnen lässt sich so ein Mentalitätswandel allerdings nicht."

Für den Wifo-Forscher Helmut Mahringer macht das neue System mehr Sinn als das alte. Die Malus-Zahlungen klingen zwar nicht sehr substanziell, sagt er, doch der alte Malus habe nur auf den Einzelfall abgestellt. Nun werden Branchenvergleiche durchgeführt. Dadurch könne sichtbar werden, welchen Beitrag Unternehmer zur Beschäftigung älterer Menschen leisten. (András Szigetvari, 2.11.2015)