Wien – Ei, wie fein gearbeitet der Mozart war: eine Delikatesse. Den Kopfsatz der Jupiter-Symphonie gingen Franz Welser-Möst und sein Cleveland Orchestra mit einem ziemlichen Drive an, straff und elegant zugleich. Das Forte war wirklich nur ein Forte und kein Fortissimo; die Pianostellen, wie etwa das souffléfeine Seitenthema, waren samtweich, federleicht, elastisch, rund und singend gestaltet, mit einem leichten Zug ins Gehauchte, Pastellfarbene, mädchenhaft Florale vielleicht – Sarah-Kay-Mozart, wollte man böse sein. Will man aber nicht!
Selige Jünger mit Guru
Der vor einem Jahr Knall auf Fall aus seinem Amt als Generalmusikdirektor der Staatsoper Geschiedene leitete die souveränen Spielereien als eine Mischung aus Zeremonien- und Ballettmeister, sein linker Arm kreiste sanft über den klingenden Dingen, der rechte war mehr fürs Energische zuständig. Dieser injizierte im dritten Satz etwa einen Schuss bäuerliche Vitalität in das mit höfischer Noblesse getanzte Menuetto. Hier schienen Welser-Mösts Neujahrskonzerterfahrungen mit den Philharmonikern anzuklingen. Die US-amerikanischen Orchestermusiker agierten so nuanciert und subtil wie ein Kammermusikensemble und folgten den Finger-und Handzeigen ihres Langzeit-Musikdirektors (seit 2002 und noch bis 2022) wie selige Jünger ihrem Guru. Extraklasse.
Richard Strauss' Vier letzte Lieder leiteten dann in den besinnlichen Teil des Konzertprogramms über. Genia Kühmeier sang sie glänzend, für diesen Saal jedoch eine Nuance zu zurückhaltend, mit zu gedeckelter solistischer Strahlkraft – im zweiten Lied, September, wurde die Salzburgerin sogar von den Querflöten übertönt. Nur brav das Solo des Konzertmeisters im Folgelied, Beim Schlafengehn, der Schlussakkord des Orchesters hier klang nach einer leicht verstimmten Orgel.
Packende Operndramatik
Beglückend, was dann der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde (Einstudierung: Johannes Prinz) in den Quattro pezzi sacri leistete, speziell im Ave Maria. Diese Reinheit, diese Innigkeit und Flexibilität, diese kraftvollen Crescendi: wundervoll. Nur in den Laudi alla Vergine Maria waren die Ersten Soprane etwas zittrig und einen Hauch zu tief. Egal. Welser-Möst und das Cleveland Orchestra steuerten zum eigenartigen Spätwerk des Theoskeptikers Verdi (es wurde im Musikverein anno 1898 zum ersten Mal in dieser Reihenfolge präsentiert) packende Operndramatik bei. Jubel auch am vierten Abend dieses Gastspiels im Musikverein. (Stefan Ender, 1.11.2015)