Es ist kein Geheimnis, wes Geistes Kind Susanne Winter ist, war es nie. Sie balancierte immer schon auf dem schmalen Grat zwischen Rechtsextremismus und nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Wie etliche in der FPÖ. Ihr selbst ist das durchaus bewusst, und so hielt sie in jenem Posting, das sie jetzt die politische Karriere kosten dürfte, fest: "Vieles darf ich nicht schreiben ..." Weil der offene Antisemitismus, der in ihren Kreisen vorherrscht, ein Fall für das Strafgesetzbuch ist.

In der FPÖ hatte man mit Susanne Winter nie ein Problem, man tolerierte oder schätzte ihre Ansichten, jedenfalls kann niemand überrascht sein. Winter ist seit 1997 Parteimitglied, sie hatte diverse politische Funktionen inne, seit 2008 sitzt sie für die FPÖ im Nationalrat. Auch eine rechtskräftige Verurteilung wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren tat ihrer Wertschätzung in den freiheitlichen Reihen keinen Abbruch: Sie durfte im Parlament bleiben.

Winter fiel vor allem durch rassistische und islamfeindliche Äußerungen auf. Sie tätigte diese Aussagen in der Öffentlichkeit. Und man kann sich vorstellen, welche Ansichten sie vertritt, wenn sie im vertrauten Kreise ihrer Gesinnungsfreunde das zum Besten gibt, was sie sonst nicht sagen darf. Dass man in der FPÖ offenbar auch ihre haarsträubenden Thesen zur Klimaerwärmung ernst nimmt, spricht nicht unbedingt für die Intelligenz aller Beteiligten. Auch die jüngste antisemitische Thesenführung ist übrigens schlichtweg dumm.

Dass so jemand als Volksvertreter im Parlament sitzt, mag ein Merkmal der FPÖ sein, ist aber eine Schande für uns alle. Es gab schon derart viele "Einzelfälle", immer und immer wieder, dass man sich fast daran gewöhnt hatte, dass man geneigt war, das hinzunehmen. Und das darf nicht sein.

Vielleicht hat sich Winter auch durch die allgemeine Stimmungslage dazu ermutigt gefühlt, sich noch weiter aus der Deckung zu wagen. Vielleicht entspricht das einem allgemeinen Rechtsruck, der selbst noch die FPÖ bewegt und dazu veranlasst, sich auch derer annehmen zu wollen, die jetzt auf die Straße gehen und ihren Hass gegen Flüchtlinge und alles, was sie damit verbinden, hinausschreien. Die Flüchtlinge in ihrer Masse geben ein derart prägnantes Feindbild ab, dass selbst Chefredakteure, ohne nachzudenken, in die Vorurteilsfalle tappen und der allgemeinen Meinungsmache von rechts zuarbeiten.

Die FPÖ befeuert dieses diffuse Stimmungsgemenge aus Angst, Zorn, Sorge und Verunsicherung gezielt und versucht, politisch ihren Vorteil daraus zu ziehen – was ihr, siehe die jüngsten Wahlergebnisse, gut gelingt. Da können sich auch die Neider und die Hasser, die ewig Unzufriedenen abreagieren, an der Wahlurne und auf der Straße. Da kann man Parolen schreien gegen Menschen, die auf der Flucht sind und die hier (und anderswo) nicht gewollt sind. Da kann ein jeder sein eigenes oder ein anderes gängiges Vorurteil bestätigt finden, und sei es, dass die Juden schuld sind, eigentlich egal woran, aber weil es gerade passt, auch am Flüchtlingsstrom.

Manchmal ist dieses Meinungsgerülpse dann so offensichtlich dumm und dämlich, dass selbst die FPÖ sagen muss, dass das inakzeptabel ist und nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. Dann wird auch eine wie Susanne Winter gehen müssen, damit weitergehetzt werden kann, nur halt nicht ganz so plump und offensichtlich. (Michael Völker, 2.11.2015)