Berlin/Wien – Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer haben ihren Streit über die deutsche Asylpolitik vorerst entschärft. Sie einigten sich am Sonntag auf ein Positionspapier. Unter anderem sollen gemeinsam mit Österreich ein Zentrum der Polizeiarbeit in unmittelbarer Grenznähe und gemeinsame Polizeistreifen entlang der grünen Grenze eingerichtet werden.

"Schnellstmöglich" solle zwischen Deutschland und Österreich "ein besseres und faires Grenzmanagement" hergestellt werden, hieß es. Das wurde als Zugeständnis an Seehofer gewertet. Nach Mitteilung der Unionsparteien wurden in dem Papier Transitzonen als "vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze" bezeichnet.

Positive Reaktion

Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nahmen am Sonntagabend in einer gemeinsamen Stellungnahme die deutschen Vorschläge für ein gemeinsames Grenzmanagement positiv auf. "Weiters streben wir an, dass auch die gemeinsame Zusammenarbeit mit Slowenien und Kroatien intensiviert wird", so die Regierungsmitglieder in einer ersten Stellungnahme.

Für eine bestimmte Gruppe von Flüchtlingen will die deutsche Union den Familiennachzug für einen Zeitraum von zwei Jahren aussetzen. Es geht um Flüchtlinge, die beispielsweise weder nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach dem deutschen Grundrecht auf Asyl in der Bundesrepublik bleiben dürfen, aber auch nicht abgeschoben werden können, weil ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden wie Todesstrafe oder Folter droht. Wie viele Flüchtlinge dies betrifft, blieb zunächst offen.

Beide Parteien wollen überdies einen einheitlichen Flüchtlingsausweis einführen, der Voraussetzung für Leistungen sein soll. Damit soll die Vielzahl von zeitraubenden Registrierungen bei verschiedenen Behörden gebündelt werden. CDU und CSU sprechen sich zudem dafür aus, baldmöglichst auf einem EU-Türkei-Gipfel unter anderem über die finanzielle Unterstützung der Türkei sowie die Eröffnung neuer Kapitel in den laufenden Beitrittsverhandlungen zu entscheiden. Zur Bekämpfung der Fluchtursachen wollen beide Parteien das militärische Engagement der Bundeswehr in Afghanistan verlängern. Sie plädieren zudem für ein Rückübernahmeabkommen der EU für Afghanistan und Bangladesch.

Den Nachzug von Angehörigen will die Union nach eigenen Angaben für bestimmte Flüchtlingsgruppen für einen Zeitraum von zwei Jahren aussetzen. CDU und CSU pochen in ihrem Strategiepapier außerdem auf den "strikten Schutz der Außengrenzen der EU" und sprechen sich dafür aus, möglichst bald einen EU-Türkei-Gipfel einzuberufen, um einen gemeinsamen Aktionsplan zu erörtern. Darüber hinaus müsse die konsequente Umsetzung des kürzlich verschärften Asylrechts von Bund und Ländern gewährleistet werden.

Die Spitzen der Großen Koalition waren am Sonntag im deutschen Kanzleramt zusammengekommen, um ihren Streit in der Flüchtlingspolitik auszuräumen. Bei dem Treffen von Merkel, Seehofer und dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel blieben einige Streitpunkte aber ungeklärt, darunter auch das Thema Transitzonen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert nach dem Gespräch mitteilte.

Die SPD will anstelle der Transitzonen, die Gabriel am Samstag erneut als "riesige Haftzonen" bezeichnet hatte, Einreisezentren in verschiedenen Bundesländern einrichten. Auch die Grünen lehnen Transitzonen ab. Die Pläne der Union seien verfassungsrechtlich "mehr als fragwürdig", erklärte der deutsche Grünen-Innenpolitiker Volker Beck am Sonntag.

In den Transitzonen an den deutschen Grenzen sollen die Asylchancen von Flüchtlingen ähnlich wie an Flughäfen sofort nach der Einreise geprüft werden. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, soll direkt abgeschoben werden. (APA, 1.11.2015)