Wien – Die Uni Wien feiert heuer ihr 650-jähriges Bestehen. Dass Juden von der Alma Mater die längste Zeit ausgeschlossen waren, darauf verweist die Ausstellung "Die Universität. Eine Kampfzone" im Jüdischen Museum. Sie verortet die Institution aber nicht nur als Ort blutiger Pogrome, sondern auch als Hoffnungsgebiet für die aufstrebende jüdische Bildungsschicht ab dem Ende des 18. Jahrhunderts.

Die Schau, die ab Dienstag und bis zum 28. März 2016 im Haupthaus in der Dorotheergasse läuft, sei die Einzige im gesamten Jubiläumsjahr, die sich allein dieses Themas annehme, sagte Direktorin Danielle Spera am Montag im Rahmen einer Presseführung. Der chronologische Erzählbogen einer Universitätsgeschichte aus jüdischer Sicht spannt sich dabei vom ausgehenden Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit.

In der Mitte der Gesellschaft

So hatte die jüdische Gemeinde in Wien bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts – und damit deutlich vor der Gründung der Universität 1365 – ein eigenes Bildungssystem. Nichtsdestotrotz blieb diesem Teil der Bevölkerung mehr als 400 Jahre lang der Zutritt verboten. Das änderte sich erst durch das Toleranzpatent Josephs II. 1782. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Uni eine Art Hoffnungsort für die lange Zeit ausgeschlossene Bildungsschicht.

"Die Juden hatten das Gefühl, endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein", sagte Chefkurator Werner Hanak-Lettner. Eine wesentliche Rolle spielte die jüdische Studentenschaft auch im Revolutionsjahr 1848. Als eine Art Leitfaden für diesen ersten Teil der Ausstellung dient eine Schrift des jüdischen Historikers Gerson Wolf aus dem Jahr 1865, in der er anlässlich des 500. Geburtstags der Bildungsstätte kritisch die jüdisch-universitäre Beziehungsgeschichte rekapitulierte.

Übergriffe durch antisemitische Studienkollegen

Danach verdüsterte sich die Lage zusehends: Obwohl jüdische Wissenschafter mit ihren teilweise bahnbrechenden Forschungserfolgen zur Glanzzeit der hiesigen Alma Mater beitragen, nahm die optimistische Ära mit den zunehmenden Übergriffen durch antisemitische Kommilitonen ab den 1880er-Jahren ein jähes Ende. Zu dieser Zeit bildeten sich auch jüdisch-nationale schlagende Burschenschaften wie Emunah, deren Foto auch das Ausstellungsplakat ziert. Denn viele Juden waren zuvor Mitglieder deutsch-nationaler Studentenverbindungen. Insofern verweise die titelgebende "Kampfzone" auch auf die Tatsache, dass sich Juden zur Wehr setzen wollten, erklärte Hanak-Lettner.

Der zunehmende Antisemitismus führte zu immer größeren Auswüchsen körperlicher Gewalt. "Deutsch-nationale Rektoren haben gewissermaßen einen legalen Raum für Gewaltakte gegen jüdische Studenten geschaffen", sagte der Chefkurator. Diese seien bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt, mit Stahlruten attackiert oder schlicht aus dem Fenster geworfen worden. Davon zeugen nicht zuletzt Berichte aus Zeitungen oder Erinnerungen etwa von Bruno Kreisky. Die Polizei habe mit Verweis auf die Autonomie der Universität nicht eingegriffen, sagte Hanak-Lettner.

Die NS-Zeit wirkte auch an der Universität noch Jahrzehnte nach dem Ende des Naziterrors nach. So konnten etwa zahlreiche belastete Professoren ihre Karriere ungehindert fortsetzen – was nicht zuletzt zu Protestkundgebungen gegen den Wirtschaftshistoriker Taras Borodajkewycz führte, dessen nationalsozialistische Aussagen unter anderen vom späteren Finanzminister Ferdinand Lacina dokumentiert wurden. Dabei wurde 1965 der damals 67-jährige Demonstrant Ernst Kirchweger von einem rechtsextremen Studenten tödlich verletzt – er war somit das erste Todesopfer in einer politischen Auseinandersetzung nach 1945.

Am Ende des Parcours, der mit zahlreichen Dokumenten, Fotos, Briefe und Interviews mit Zeitzeugen bereichert wird, stehen Lebensgeschichten vertriebener österreichischer Wissenschafter. Sie schließen damit den Kreis zu jener Frage, die gleich am Anfang der Ausstellung erörtert wird – zu jener, was eine offene Universität ist. (APA, 2.11.2015)