Ein Moderator einer Kochsendung, der in Rattenkostümierung auftritt, ist nur eine der schrägen Figuren aus Quentin Dupieux' irrwitzigem Film "Réalité".


Foto: Viennale

Wie kommt eine Videokassette in den Magen eines Wildschweins? Wie sieht ein Hautausschlag aus, der sich im Inneren eines Kopfes ausbreitet? Was passiert, wenn ein Regisseur im Kino den Film sieht, dessen Drehbuch er gerade erst schreibt?

Keine Frage, dass ein Film, dessen Titel übersetzt "Wirklichkeit" lautet, ein Vexierspiel mit eben dieser Wirklichkeit ist, jedenfalls, wenn der Regisseur Quentin Dupieux heißt. Seit der französische Regisseur 2010 in seinem grotesken Debütfilm Rubber Killerreifen auf die Menschheit losließ, hat es Dupieux immer wieder verstanden, die Wirklichkeitswahrnehmung des Zuschauers auf die Probe zu stellen.

Fragmentarische Stücke

In seinem vierten Film stehen mit Alain Chabat und Elodie Bouchez erstmals zwei prominente französische Schauspieler vor der Kamera, die überwiegend Französisch sprechen – angesiedelt ist diese französisch-belgische Koproduktion allerdings erneut in den USA. Der Wechsel der Sprachen trägt nicht unbedingt dazu bei, Klarheit zu schaffen beim Zuschauer, dem zu Beginn eine Reihe von fragmentarisch erzählten Geschichten präsentiert wird, deren Zusammenhang sich erst nach und nach erweist.

Da sind das kleine Mädchen, das sieht, dass sich im Magen des Ebers, den sein Vater gerade erlegt hat, eine Videokassette befindet; der Moderator einer Kochshow, der stets im Rattenkostüm vor die Kamera tritt und sich wegen eines Juckreizes fortwährend kratzen muss, und sein Kameramann, der von einem eigenen Film als Regisseur träumt. Zu dumm, dass der bei einem Kinobesuch nicht nur ein Plakat mit dem Titel seines Projekts entdeckt, sondern auch noch feststellen muss, dass der Film, an dessen Drehbuch er noch bastelt, schon im Kino läuft, während er selbst sich damit abplagt, den vom Produzenten geforderten Stöhnlaut zu finden, ohne den es diesen Film niemals geben wird. Denn der muss so eindrucksvoll sein, dass er dafür mit einem Oscar belohnt wird.

Unterdessen wird dem kleinen Mädchen, dessen Name Réalité (Kyla Kennedy) ist, wie wir erfahren, immer wieder klarzumachen versucht, dass etwas mit sei- ner Realitätswahrnehmung nicht stimme – eine Videokassette, noch dazu unzerstört, im Magen eines Ebers?

Aber sie hat sie schließlich eigenhändig aus der Mülltonne gefischt und in der Schule in ein Abspielgerät eingelegt. Doch zum Anschauen kommt sie nicht. Was darauf zu sehen sein könnte, entwickelt sich nicht nur bei ihr und beim Zuschauer zu einer fixen Idee, sondern auch bei dem Filmproduzenten, der diese Geschichte als Teil eines Films erlebt, den er gerade in Mustervorführungen sieht.

"Sie müssen Geduld haben", vertröstet ihn dessen Regisseur, der exzentrische Zog (Jon Glover). Das gilt allerdings auch für den Zuschauer von Réalité. Denn Quentin Dupieux macht sich ein Vergnügen daraus, diesen auf die Folter zu spannen. Seien Sie also gewarnt: Nicht alles wird sich in diesem surrealen Plot am Schluss auflösen. (Frank Arnold, 2.11.2015)