"Dass ich noch da bin, ist ja ein Wunder!" Viennale-Präsident Eric Pleskow hat endlich wieder Wien besucht.

Foto: Robert Newald

STANDARD: Sie sind zum ersten Mal nach einigen Jahren wieder in Wien. Wie erleben Sie die Stimmung in der Stadt und generell in Österreich in diesen Tagen?

Pleskow: Die Stadt hat sich verändert. Das sind Dinge, die man nicht sieht, wenn man hier wohnt. Aber die Leute, mit denen ich zu tun habe, sind ja nicht von der FPÖ. Das sind normale Menschen. Ich will damit nicht sagen, dass die FPÖ nicht normal ist, aber die leben in einer Welt, von der ich hoffe, dass sie nicht wiederkommt. Das ist beängstigend. Aber es liegt auch ein wenig in der Natur der Menschen dieses Landes: ein rechtsgerichtetes Denken von Leuten, die sich gegen etwas wehren wollen, das gar nicht existiert. Aber andererseits kann man das wohl überall in der Welt finden – die Blödheit der Wähler.

STANDARD: Die nimmt nicht ab.

Pleskow: Ich glaube, sie nimmt eher zu. Ich weiß nicht, worauf das zurückzuführen ist. Es ging ja nach 1945 einige Jahrzehnte lang halbwegs besser, aber jetzt habe ich schon Angst. Nicht für mich, aber für meine Kinder und Enkelkinder. Man kann das auch in den USA beobachten, was mit den Republikanern los ist. Es findet eine Verdummung der Welt statt, trotz neuer Möglichkeiten, sich Informationen zu beschaffen.

STANDARD: Worauf führen Sie es zurück, dass die Grand Old Party so zerrissen wird?

Pleskow: Es gibt schon auch gute Leute bei den Republikanern, das sind die, die am wenigsten schreien und ein bisschen denken. Aber Donald Trump ist ein Typ, der keinen Satz vollendet. Das ist ein total vertrottelter Mensch. Gott behüte, wenn der Präsident wird und an die Macht kommt. Der sagt, das mit Putin mache ich schon, aber er hat keine Ahnung von Geschichte und davon, wie man mit anderen Ländern und Leuten wie Putin umgeht.

STANDARD: Wie geht man mit Putin um?

Pleskow: Man begegnet ihm auf Augenhöhe und trifft ihn weniger oft. Aber man muss auch sagen, dass es die Lösung für Syrien nicht ohne ihn geben wird. Was hier passiert, hat seine historischen Wurzeln in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die Region von Großbritannien und Frankreich willkürlich zerstückelt wurde. Gewisse Dinge erinnern mich an die 1930er-Jahre. Mir kommt vor, als ob eine große, dunkle Wolke über der Welt schweben würde. Ich habe es damals überstanden, aber ich glaube, dass es für meine Enkelkinder in anderer Hinsicht schwieriger werden wird, als es für mich war. Die Welt brennt, und wir schauen uns Filme an.

STANDARD: Hollywood ist die Welt auch etwas abhanden gekommen. Liegt das daran, dass man Filme bevorzugt mit dem Rechner macht?

Pleskow: Deswegen hätte ich inzwischen dort wohl nur geringen Erfolg. Für mich war immer die menschliche Dimension wichtig, abgesehen von ein, zwei Dingen wie Terminator oder Robocop. Andererseits man kann nicht nur machen, was man selbst gut findet. Ich würde heute wohl nur Arthouse machen. Das Publikum hat sich verändert – das ist eine Generationenfrage. Ich kann nicht erwarten, dass meine Enkelkinder denselben Geschmack haben wie ich. Deswegen ist's besser, dass ich aufgehört habe.

STANDARD: Bei der Viennale verfestigt sich der Eindruck, dass die zeitgenössisch relevanten Themen von immer kleineren Produktionen aufgegriffen werden.

Pleskow: Das stimmt. Es liegt daran, dass sich auch die Filmindustrie sehr verändert hat. Sie ist in den Händen von Leuten, die nur noch nach Zahlen gehen. Der Inhalt zählt weniger, nur das Geschäft. Es gibt auch keine Filmfirmen mehr, die alleinstehend sind.

STANDARD: Haben Filmfestivals deshalb wieder mehr Bedeutung?

Pleskow: Die Viennale ist auf jeden Fall wichtig, weil sie anders als die großen Festivals in Cannes, Venedig und Berlin funktioniert. Sie ist zwar abhängig vom Geschmack von Hans Hurch, der die Programmierung, wie ich finde, sehr gut macht. Wien ist deshalb nicht so auf der Landkarte präsent, weil hier nicht so viel Rummel gemacht wird. Es geht um die Filme.

STANDARD: Hans Hurchs nochmalige Verlängerung hat dennoch für Kritik gesorgt – schon deshalb, weil er das Amt recht lange innehat.

Pleskow: Da bin ich schuld daran. Ich war eine Zeit lang aus gesundheitlichen Gründen nicht hier. Die Nachfolge muss man mit der richtigen Person besetzen, und für diese Entscheidung brauchte ich ein bisschen Zeit – ich werde das freilich nicht allein bestimmen. Ich würde zur Abwechslung gerne eine Frau als Direktorin haben. Die nächsten zwei Jahre möchte ich gerne dafür verwenden, jemanden einzuführen. Dass ich noch dabei bin, ist ja ein Wunder!

STANDARD: Person und Programmatik hängen zusammen. Haben Sie schon eine Vorstellung, in welche Richtung es gehen soll?

Pleskow: Ich sage immer, wenn es schiefgeht, sagt einfach, es ist meine Schuld! Was soll mir schon passieren! Es gibt Christine Dollhofer, die mit Crossing Europe in Linz sehr gute Arbeit macht, und eine Dame von Graz, die ich nicht persönlich kenne ...

STANDARD: Barbara Pichler, die ehemalige Diagonale-Leiterin.

Pleskow: Ja, über sie höre ich auch nur Gutes.

STANDARD: Es soll jedenfalls eine österreichische Lösung sein?

Pleskow: Es sind österreichische Filmfestspiele – warum jemanden von woanders? Das fände ich nicht so gut. Es ist auch eine Frage der Mentalität. Wir machen das österreichisch.

STANDARD: Sie sitzen auch im Auswahlgremium des Filmfonds Wien – wie fällt ihre Diagnose des österreichischen Kinos aus?

Pleskow: Da hat sich mit den Jahren vieles verbessert. Einen Film für Österreich zu machen geht ja nicht, da ist der Markt viel zu klein. Kino für einen Stammtisch in Kickritzpotschen – das ist recht schwierig. Es gibt ein paar Leute, die immer denselben Mist machen. Ein System, in dem mit Steuergeldern Filme gemacht werden, ist aber eigentlich kein gesundes System, weil es keine Eigenverantwortung gibt.

STANDARD: In Österreich ist es anders, aber nicht machbar.

Pleskow: In vielen Ländern ist es anders nicht machbar. Ich musste als Produzent noch der Bank gegenüber geradestehen. Wenn einer vor der Hinrichtung ist, dann schärft das schon seinen Kopf ein bisserl. (Dominik Kamalzadeh, Michael Pekler, 2.11.2015)