Was aus Cinderella wurde, ist nicht bekannt. The Sonics hingegen, die rocken wie ehedem. Bistdunarrisch.


Foto: Regine Hendrich

Wien – So, wie Freddie Dennys im Lied Cinderella Brautwerbung betreibt, verheißt das nichts Gutes. "I wanna be your fella! Hey! Hey! Hey! Hey! Hey! Cinderella!", brüllt er mit glühendem Gaumenzäpfchen. Dazu schiebt er seinen Bass mit dem Unterleib an, bis das Weihwasser zischt. Oh. Mein. Gott. Man kann sich gut vorstellen, wie Väter mit der Knarre im Anschlag in den Türen ihrer Häuser gestanden sind, um ihre Töchter vor solchen Typen zu schützen. Natürlich ohne Erfolg.

In den frühen 1960er-Jahren waren die Verheißungen des Rock 'n' Roll längst in die weißen Vorstädte eingesickert, wo sich blasse Jungs an dieser Musik vergingen. Eine Band, die damals entstand, heißt The Sonics. Die aus Tacoma im US-Bundesstaat Washington stammende Formation gastierte Sonntagabend in der Wiener Arena.

Die Sonics sind heute rüstige ältere Herren, die sich an ihren Enkelkindern oder Bingo erfreuen könnten, aber nicht. Stattdessen haben sie sich vor sieben, acht Jahren erneut zusammengetan, um noch einmal die Ernte einzufahren. Schließlich erwiesen sich Lieder wie The Witch, Psycho oder ihre Ode an Strychnine als nachhaltige Keimlinge.

Die Sonics hatten diese Songs in den 1960ern derart wild und ungestüm aufgenommen, dass sie glatt Punk vorweggenommen haben und über die Jahre Legionen von Bands inspirierten und zum Tunichtgutsein verführten. Die Überzeugungskraft dieser kaum je länger als zweieinhalb Minuten dauernden Manifeste im Zeichen eines hormonell gesteuerten Sturm und Drang ist ungebrochen. Gut, die Brunftschreie von Jerry Roslie gellen nicht mehr so schrill wie ehedem. Doch die sturen Riffs von Larry Parypa funktionieren ungebrochen, das Gewehrsalvenschlagzeugspiel von Dusty Watson sowieso.

Quasi als Zugeständnisse ans schwache Geschlecht – damals sagte man noch so – umschmeichelte man die Böllerei mit einer wabbernden Orgel und etwas Saxofongebläse. Diese Rezeptur verlieh den bearbeiteten Fremdkompositionen wie Have Love, Will Travel oder Money (That's What I Want) und Louie Louie zusätzlich Sexyness. Ungesunde Sexyness, denn die Produktionsbedingungen waren so einfach wie die vorgetragenen Anliegen.

So drückte man live eine Stunde lang zu Evergreens gewordene Erweckungserlebnisse in den Saal. Stücke des im Frühling erschienenen fünften Albums This Is The Sonics fielen kein bisschen ab. Der Saal dampfte, die wilden Oldtimer auf der Bühne waren glücklich. Der Zugabenblock unterstrich noch einmal die Überzeugungskraft dieser Band: Einer Prügelbearbeitung von Ray Charles' I Don't Need No Doctor folgten Strychnine und The Witch. – So geil. Sollen doch andere in Würde altern.
(Karl Fluch, 2.11.2015)