Momentaufnahmen jüdischen Widerstands in der Kampfzone Universität: Mitglieder der schlagenden jüdischen Verbindung Emunah um 1925...

Foto: Ze’ev Aleksandrowicz, Beit Hatfutsot, Tel Aviv

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... und Proteste gegen Taras Borodajkewycz 40 Jahre später.

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Wien – "Es war schlicht und einfach eine Hölle." Dieser Satz stammt aus den Erinnerungen von Bruno Kreisky. Gemeint war damit die Atmosphäre an der Uni Wien, wo der spätere Bundeskanzler ab 1929 Jus studierte. Just in diesen Jahren erlebten die pogromartigen Krawalle gegen jüdische Studierende dramatische Höhepunkte.

Das Kreisky-Zitat ist ab sofort auch im Aufgang zur neuen Ausstellung des Jüdischen Museums Wien zu lesen. Dort wird ab morgen unter dem Titel "Die Universität. Eine Kampfzone" eine konfliktreiche Beziehungsgeschichte rekonstruiert – auch und zumal aus Anlass des 650-Jahr-Jubiläums der Universität Wien, das dieser Tage offiziell ausklang.

Die Schau im Jüdischen Museum nimmt gleich im Eingangsbereich unmittelbar darauf Bezug: Warb die Universität heuer unter anderem mit dem Sujet "Offen seit 650 Jahren", so thematisiert gleich der erste Raum eindrücklich, dass die Uni für Frauen bis 1897 verschlossen war und auch den Juden der Zutritt mehr als 400 Jahre lang verweigert wurde.

Offenheit und Ausschluss, Durchlässigkeit und "Abdichtung" – diese Gegensatzpaare ziehen sich wie rote Fäden durch die Schau und finden auch im schlüssigen Design von Stefan Fuhrer eine Entsprechung: Dachlatten zeigen an, wann die Uni für Juden Platz unter ihrem Dach bot und wann sie zur Kampfzone wurde. Die Begleittexte sind auf Styropor aufgebracht, einem Hartschaum und Dämmmaterial.

Öffnung im Jahr 1782

Zutritt zur Universität erhalten Juden erst durch das Toleranzpatent Josephs II. 1782. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wird die Universität ein Ort der Hoffnung für zuvor lange Zeit Ausgeschlossenen. So spielen jüdische Studierende eine wesentliche Rolle bei der Revolution des Jahres 1848.

Als eine Art Leitfaden für diesen Teil der Ausstellung dient eine echte Wiederentdeckung: ein Buch des jüdischen Historikers Gerson Wolf zum 500. Geburtstag der Alma Mater Rudolphina. Bilanzierte Wolf die jüdisch-universitäre Beziehungsgeschichte bis 1865, so setzt die von Chefkurator Werner Hanak-Lettner konzipierte Ausstellung Wolfs kritische Sicht mit einer Fülle an Dokumenten, Fotos, Briefen und künstlerischen Interventionen fort.

Zunächst erhellt sie an gut gewählten Beispielen, wie insbesondere Mediziner jüdischer Herkunft mit ihren Forschungen zur Glanzzeit der Alma Mater Rudolfina in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beitragen. Haben die Juden damals "das Gefühl, endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein", so Werner Hanak-Lettner, verschlechtert sich ihre Lage ab 1875 wieder. Von nun an tragen die Universitäten wesentlich zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Antisemitismus bei.

Was hier ein wenig kurz kommt, ist konkretes Zahlenmaterial: Statistiken über den Anteil von Studierenden und Lehrenden jüdischer Herkunft finden sich leider nur im multimedial bestückten Gerson Wolf-Studienraum. Und ausgespart bleibt auch, dass der Zuzug von Tausenden "ostjüdischen" Kriegsflüchtlingen nach 1914 den Anteil jüdischer Studierender stark erhöhte, was in der Krisensituation der Ersten Republik den Antisemitismus befeuerte.

Zeitzeugenberichte und Dokumente

Wie dramatisch die Situation ab den frühen 1920er-Jahren wird, illustriert die Schau anhand zahlreicher Zeitzeugenberichte und Fotos umso eindrucksvoller: Da ein Numerus clausus für Juden nicht durchsetzbar war, greifen insbesondere die ab 1923 rasch aufkommenden Nationalsozialisten zur brutalen Gewalt.

Die unmittelbaren Folgen des "Anschlusses" 1938, die vielfach ausgestellt wurden, streift die Schau hingegen nur kurz. Stattdessen endet der Parcours mit der Affäre um den antisemitischen Professor Borodajkewycz 1965 und den Biografien vertriebener österreichischer Wissenschafter.

Die kamen nach 1945 auch deshalb nicht zurück nach Wien, weil die Uni für sie auch nach 1945 verschlossen blieb – womit sich der Kreis des in jeder Hinsicht lehrreichen Rundgangs auch räumlich schließt. (Klaus Taschwer, 3.11.2015)