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Blick ins ehemalige "Kurier"-Haus in Wien. Im September wurde dort eine Notschlafstelle eingerichtet.

FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

Anita Aigner vermutet, die Architektenschaft schlafe hierzulande bei der Flüchtlingsthematik ("Schlafen die da alle?", Kommentar der anderen im STANDARD). Sie nennt Verwaltung, Baukulturvermittlungsinstitutionen, Kammer und Universitäten, die sich diesem aktuellen Thema nicht oder nicht ausreichend stellen würden. Mit etwas Recherche wäre Frau Aigner durchaus fündig geworden. Christoph Mayrhofer hat im STANDARD die Intentionen der Arch+Ing-Kammer bereits dargestellt. Als Sprecher der IG Architektur weise ich auf einige Aktivitäten der IG Architektur, der österreichweiten Plattform für Architekturschaffende, hin, die die Behauptungen Frau Aigners widerlegen.

Was gefragt ist

Bereits vor eineinhalb Jahren, also lange vor dem momentanen "Flüchtlingshype", hat sich die zivilgesellschaftliche Initiative "Kein Ort. Nirgends" gebildet. In Zusammenarbeit mit "Architektur ohne Grenzen" – einer in Beratung, Entwicklung und Bauen weltweit tätigen, vorbildlichen Initiative – näherte man sich dem Thema auf verschiedenen Ebenen an. Dazu fand am 22. April 2015 im Architekturzentrum Wien (AZW) eine von einem heftigen Diskurs begleitete Veranstaltung statt.

In Gesprächen mit Flüchtlingen und Flüchtlingsorganisationen lernte man, dass in Situationen des nackten Überlebens und der knappen Geldressourcen cool gestaltete Hightech-Zelte, preisgekrönte durchdesignte Boxen und so fort wenig gefragt sind. Im Vordergrund steht die Schaffung funktionierender Unterkünfte, deren Ästhetik besser nicht vorgegeben, sondern in kooperativen Prozessen mit den Bewohnern erarbeitet werden sollte. Aus Sicht der Raumplanung ist die Integration – in der Stadt wie auf dem Land – durch Wohnbarmachung der mehr als ausreichend vorhandenen Leerstände sinnvoll.

Vernetzen und helfen

Auf Basis dieses Wissens sind die Arbeitsgruppen, deren Treffen übrigens für jede und jeden öffentlich zugänglich sind (ig-architektur.at), auf verschiedenen Ebenen tätig: In Gesprächen mit der Arch+Ing-Kammer wurde die Interpretation bestehender Vorschriften für Flüchtlingsunterkünfte (baurechtliche Expertisen durch Ziviltechniker) angeregt. Kontakte mit Universitäten zu für Flüchtlinge relevanten Lehrveranstaltungsthemen befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien. Erste konkrete Umsetzungen konnten in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen – etwa im 10. Wiener Gemeindebezirk die Einrichtung einer Küche – gestartet werden. Und schließlich gibt es eine Initiative, die eine Vernetzung und Förderung von fachlich (aus dem Baubereich) einschlägig ausgebildeten Flüchtlingen sucht. Dass unter den Akteuren Vertreter der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur und der Arch+Ing-Kammer sitzen, erleichtert die Vernetzung "nach oben". Nicht zuletzt fungiert die Mailinglist der IG Architektur immer wieder als Vermittlungsplattform – auch – bei Flüchtlingsthemen.

Dass diese Architekturschaffenden alle ehrenamtlich tätig sind und dass etliche auch beim Arbeitseinsatz am Westbahnhof anzutreffen waren, bezeugt die zivilgesellschaftliche Kompetenz der Akteure. Die Tätigkeiten von "Kein Ort. Nirgends" sind niederschwellig, kleinmaßstäblich und ohne Erfolgsgarantie. Sie finden meist im Stillen statt und sind daher für eine medienwirksame Vermarktung schlecht geeignet. Dass es noch viel zu tun gibt, bestreitet niemand. Zu behaupten, dass die Architekturszene schläft, ist jedoch schlichter Unfug. (Franz Denk, 3.11.2015)