Ob Pionierinnen, Bürgermeisterinnen oder Straßennamen: Der Genderatlas zeigt die Repräsentation von Frauen an.

Foto: Screenshot/http://www.genderatlas.at

Zenzi Hölzl ist ein Name, den wir uns jetzt merken. Mit ihr wurde 1948 in Niederösterreich erstmals eine Frau als Bürgermeisterin angelobt, zehn Jahre lang lenkte sie die Geschicke von Gloggnitz. Und das hat Auswirkungen bis heute. Dem neuen, digitalen Genderatlas ist es zu verdanken, dass diese und andere "Informationen zu lebenswirklichen Realitäten von Frauen und Männern" der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

"Der Genderatlas ist ein wissenschaftliches Projekt", erklärt Elisabeth Aufhauser, Assistenzprofessorin am Institut für Geografie und Regionalforschung an der Uni Wien, "aber ein bewusst niederschwelliger Zugang war uns wichtig, damit man Lust hat an der Nutzung." Zwei Jahre lang hat ein Team bestehend aus Forschern der TU-Wien (technisches Konzept und Implementierung), der Universität Wien (Inhalt und Evaluierung) und des ÖIR-Projekthauses (Datenpool und Visualisierung) in Kooperation an dem Projekt gearbeitet. "Wir wollten herausfinden, wie wir inhaltlich am besten spannende Geschichten erzählen können – und was technisch möglich ist", sagte Aufhauser.

Insgesamt 15 Karten liegen auf www.genderatlas.at zu den Themen Arbeit, Bildung, Mobilität, Politik und Gesellschaft nun vor, in Kombination mit diversen Onlinetools ist eine interaktive Nutzung möglich. Um auf das Beispiel der Bürgermeisterinnen zurückzukommen: Aktuell werden 141 Gemeinden in Österreich von Frauen geführt, das entspricht nur 5,9 Prozent aller Gemeinden. Über eine Suchfunktion kann man sich eine beliebige Gemeinde heraussuchen und zum Beispiel sehen, dass Gloggnitz auch heute eine weibliche Bürgermeisterin hat. "Es gibt auch eine Zeitleiste", erklärt Aufhauser, und da wird ab den späten 1990er-Jahren deutlich, dass es zu einer Art Clusterung kommt." Siehe da: Auch die Nachbargemeinden von Gloggnitz, Buchbach und daran anschließend Grafenbach-Sankt Valentin und Warth haben 2015 eine weibliche Bürgermeisterin. Zufall?

Straßen mit Frauennamen am Stadtrand

"Aufgrund solcher Karten könnte man jetzt die Frage stellen: Gibt es so etwas wie Vorbildregionen, aus denen man Modellregionen machen könnte?", bemerkt Aufhauser. Ein weiteres Beispiel ist die Karte zu den Hochqualifizierten: Sie zeigt, dass junge Frauen zwischen 25 und 34 Jahren auch am Land in höherem Maß akademisch gebildet sind als Männer. Dieses Potenzial könnte im regionalen Arbeitsmarkt und in politischen Entscheidungsstrukturen weit stärker genutzt werden. In der Beziehung der Geschlechter zueinander zeigt ein sogenannter "Genderindex" den Grad der Qualifizierung. Dieser liegt im Bezirk Urfahr-Umgebung bei +17, also 23 Prozent Akademikerinnen zu 16 Prozent Akademikern, um aus aktuellem Anlass ein Beispiel aus Oberösterreich zu wählen.

Ein weiteres Beispiel sind die Straßennamen in Wien, in einer Liniengrafik visualisiert und anschaulich gemacht. Nur bei 356 Straßen sind Frauen hier namensgebend (im Vergleich zu 4.269 nach Männern benannten), diese liegen vorwiegend am Stadtrand. Eine etwas skurrile Ausnahme bildet zum Beispiel die Leopoldstadt: Hier hatte der Bezirksvorsteher Konrad Ley im 19. Jahrhundert diverse Gassen nach seiner weiblichen Verwandtschaft (Josefine, Hermine, Hedwig) benannt.

"Wir haben jetzt ein Set an technischen Modulen, das man bei Interesse mit weiteren Inhalten befüllen kann", erklärt Aufhauser. Voraussetzung wäre natürlich die weitere Finanzierung. "Bis jetzt ist der Genderatlas ein Pilotprojekt und nicht inhaltlich allumfassend – aber man sieht jetzt schon einige spannende Details." (Tanja Paar, 4.11.2015)