Wenn es ein Buch gibt, das in keiner Designbibliothek fehlen darf, dann ist dieses soeben erschienen. Es trägt zwar den nicht sonderlich aufregenden Titel "Do it yourself", was man zwischen den Buchdeckeln finden kann, sucht in Sachen Aufmachung und Entdeckerfreude allerdings seinesgleichen. Ganze 50 Größen aus der Welt der Gestaltung, darunter Leute wie John Baldessari, Ross Lovegrove, Matteo Thun, Patricia Urquiola oder Jaime Hayon packten ihren Werkzeugkoffer und baldowerten Objekte aus, die sich mehr als sehen lassen können.
Punkten die einen Dinge in Sachen Charme, beeindrucken die anderen mit ihrer Funktionsweise und ganz eigenwilligen Ästhetik. Auch an Augenzwinkern fehlt es auf den insgesamt 224 Seiten des Buches nicht. Zusammengetragen hat diese Schatzkiste voller Designrezepte der deutsche Journalist Thomas Bärnthaler, herausgegeben wird das Buch vom Phaidon-Verlag, der bekannt für die kulinarische Aufbereitung seiner Themen ist.
Zum Nachbauen geeignet
Es kommt aber noch besser: All diese Objekte vom Teppich bis zur Deckenleuchte sind zum Nachbauen. Im Buch, das man gar nicht mehr aus der Hand geben möchte, sind die fertigen Gegenstände willkommen nüchtern inszeniert, jeweils neben dem Objekt liest man eine kurze persönliche Beschreibung der Gestalter samt einer Auflistung anfallender Kosten und Bauzeit. Eine Bauanleitung gibt's natürlich auch.
Die braucht's. Um die Angelegenheit diesbezüglich deppensicher zu machen, wurde sogar das benötigte Werkzeug bis hin zum kleinsten Schräubchen fotografiert. Auf diese Weise kommt man nicht nur Schritt für Schritt zu einem Alltagsgegenstand, sondern gewissermaßen auch an ein Original von Konstantin Grcic, Maurizio Cattelan oder Hella Jongerius. Abgesehen von ihrem ästhetischen und/oder praktischen Wert, stellen die von den Gestaltern erdachten Objekte ein frivol-frisches Sprudelbad an Ideen dar, neben dem sich so mancher Hochglanzkatalog verstecken sollte.
60-Minuten-Sessel
Einen hölzernen Kerzenständer für acht Kerzen dachte sich zum Beispiel der Schweizer Designer Alfredo Häberli aus, die Kosten dafür gibt er mit 30 Euro an, für die Bauzeit veranschlagt er 120 Minuten. Das geht sich vor Weihnachten noch aus. Sogar mit zwei linken Händen zu schaffen sein dürfte – wie der Name schon sagt – der "Easy Chair 01" des deutschen Designers Rafael Horzon. Das zackige Sitzmöbel besteht aus vier gleich großen weißen Holzplatten und 20 Schrauben. Das war's. Werkzeugtechnisch vonnöten sind ein Bleistift und ein Akkuschrauber. Für das Möbel veranschlagt Horzon Kosten von 35 Euro und eine Arbeitszeit von 60 Minuten. Sein Landsmann Werner Aisslinger mag's mobiler und erfand eine Fahrradtasche aus einer gewöhnlichen Einkaufstasche, die mit einem Gurt an der Fahrradstange befestigt wird.
Künstlerischer, wenn auch sehr lieblich, geht es Ai Weiwei in der Bastelstube an. Er zeigt, wie man aus einem Paar Socken und vier Knöpfen, getrockneten Bohnen, Watte und ein bisschen Faden zwei Katzen näht. 90 Minuten werkte er an den Dekokätzchen namens "Caonima", gekostet hat's den Künstler wohlfeile 13 Euro. Nimmt man alte Socken, wird das Kunstwerk noch günstiger.
Selbermachen, das weiß man, ist in vielen Belangen schon seit längerem groß im Trend. Die Gründe dafür mögen Konsumverweigerung, Subversion, Selbstverwirklichung oder Befreiung von Geschmacksdogmen heißen, dieses Buch mit Gegenständen, die von höchsten Design-Instanzen erdacht wurden, ist definitiv ein Grund mehr, zu Bohrer und Schraube zu greifen. Der Hammer! (Michael Hausenblas, RONDO, 12.11.2015)