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Das Stromnetz soll fitgemacht werden für den Transfer unterschiedlichster Daten. So könnte mit der Energiewende auch eine Revolution in der Kommunikation einhergehen.

Foto: dpa / Patrick Seeger

Salzburg/Wien – Der europaweite Umbau der Energiewirtschaft von fossil auf erneuerbar, ausgelöst durch den nicht mehr zu leugnenden Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und CO2-Ausstoß, ist in vollem Gang. Vieles läuft noch nicht so rund, wie es sollte – auch weil Vorbilder fehlen. In einer Salzburger Gemeinde wird seit nicht ganz drei Jahren versucht, im Kleinen zu zeigen, wie die Energiewende im Großen funktionieren könnte.

Die Gemeinde, die inzwischen Reiseziel für einschlägig interessierte Personen und Institutionen rund um den Globus geworden ist, heißt Köstendorf. Auf den ersten Blick ist der 2550-Seelen-Ort unweit von Salzburg einer unter vielen in dieser von Viehzucht und Ackerbau geprägten Region. Auf den zweiten Blick ist Köstendorf dennoch ganz anders.

Seit dem Frühjahr 2013 erprobt die Salzburg Netz GmbH, Tochtergesellschaft des lokalen Energieversorgers Salzburg AG, wie Smart Grids dazu beitragen können, dezentrale Einspeiser erneuerbarer Energie und Halter von Elektroautos effizient ins Stromnetz zu integrieren. Für den Feldversuch hat die Salzburg Netz GmbH einen Ortsteil von Köstendorf – Eisbach, 1500 Einwohner – ausgewählt. Auf jedem zweiten Haus, das sind rund 80 Dächer, wurden Fotovoltaikpaneele montiert. Die dazugehörigen Haushalte erhielten Wärmepumpen und intelligente Stromzähler (Smart Meter). Zur Abrundung wurden auch noch gut drei Dutzend Elektroautos nach Eisbach gebracht, die ebenfalls in das Gesamtsystem zu integrieren waren. Und siehe da, es hat funktioniert und funktioniert noch immer.

Köstendorf 3.0

"In der Theorie wussten wir, dass es geht. Theorie und Praxis sind aber oft zwei Paar Schuhe", sagte Salzburg-Netz-Geschäftsführer Michael Strebl dem STANDARD. "Jetzt haben wir den Beweis – schwarz auf weiß."

Nun steht die Gemeinde vor dem nächsten Sprung. "Jetzt geht es darum, nicht nur Erzeuger von Energie und Kunden miteinander intelligent zu vernetzen, sondern auch Stromspeicher zu bauen", sagte Strebl. Das Projekt, dessen Startschuss vor wenigen Tagen erfolgt ist, läuft unter dem Namen Köstendorf 3.0 und hat als Endvision ein smartes Stromnetz, das auch als Plattform für den Transfer unterschiedlichster Daten dienen soll. "Wer will, kann das nützen, wer nicht will, muss nicht," bringt es Strebl auf den Punkt.

Von einem Stromausfall betroffene Kunden könnten beispielsweise per automatisch versandter SMS über den Fortschritt der Reparaturarbeiten informiert werden, während das Reparaturteam des Netzbetreibers noch am Einsatzort am Tablet-PC sehen kann, ob die betroffenen Haushalte tatsächlich wieder Strom haben.

Genauso gut könnte ein Wirt jene Gäste, die einen Tisch reserviert haben, bei Stromausfall in ein anderes, befreundetes Lokal lotsen. Der Fantasie sind (fast) keine Grenzen gesetzt.

Rückgrat der Energiewende sind nicht zuletzt entsprechend potente Speicher, die Strom aus Wind oder Sonne in Zeiten geringer Nachfrage aufnehmen und in Zeiten höheren Bedarfs wieder abgeben können. In Köstendorf soll überschüssiger Strom in Form von erhitztem Wasser im Fernwärme- oder als Wasserstoff im Gasnetz landen. Die beiden Technologien Power to Heat (Strom zu Wärme) und Power to Gas (Strom zu Erdgas) sind national wie international erprobt. Sie machen aus dem Stromnetz ein flexibles Hybridnetz, das die CO2-Bilanz deutlich verbessert, von Kostenvorteilen ganz zu schweigen. Schon der bisher gewählte Ansatz habe ergeben, dass die Einbindung erneuerbarer Energie ins Stromnetz durch Smart Grids um bis zu 50 Prozent günstiger ist als der konventionelle Netzausbau, sagt Strebl. Doch damit nicht genug:

Sollte die nächste Stufe, auf die Köstendorf nun gestellt wird, ebenfalls positive Resultate bringen, rechnen sich die Salzburger auch Exportchancen aus. Dann könnte die rege Reisetätigkeit von und nach Köstendorf in eine ganz andere Form von Umwegrentabilität münden. (Günther Strobl, 6.11.2015)