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Wenn die Österreicherinnen und Österreicher intim werden, benutzen sie am liebsten ein Kondom oder die Pille.

Foto: APA / EPA / Simon Laessoee

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Wien – Als der Erfinder der Antibabypille, Carl Djerassi, Anfang dieses Jahres starb, hieß es in zahlreichen Würdigungen, er habe für die "Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Frau" gewirkt. Laut einer aktuellen Studie wird seiner Erfindung mit zunehmender Skepsis begegnet: Demnach vertrauen Frauen in Österreich in Sachen Verhütung zwar nach wie vor am meisten auf die Pille. Doch die Zustimmung sinkt – Experten zufolge aufgrund einer steigenden Angst vor Hormonen.

Seit Donnerstag liegt der zweite Österreichische Verhütungsreport vom Wiener Gynmed-Ambulatorium für Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung vor. Das Meinungsforschungsinstitut Integral befragte dafür mehr als 2000 Frauen und Männer im Alter von 16 bis 49 Jahren. Der Vergleich mit dem Bericht aus dem Jahr 2012 zeigt, dass zwar mehr als 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mit ihrer Sexualität zufrieden sind (jene, die sehr wirksame Verhütungsmittel anwenden, ganz besonders), allerdings ging die Zahl der Personen, die verhüten, insgesamt zurück (auf 72 Prozent), wie Martin Mayr von Integral am Donnerstag darlegte.

Im Geschlechtervergleich zeigt sich bei Frauen ein Minus in Höhe von 81 auf 71 Prozent. Bei den Männern ist die Zahl gleich geblieben.

"Hormonangst" festgestellt

38 Prozent der Frauen nahmen die Pille, die beliebteste Methode bei den Männern ist das Kondom. Für elf Prozent der Befragten ist Verhütung kein Thema, weil sie angeben, kaum oder keinen Sex zu haben. Bei Frauen ist der zweithäufigste Grund, dass sie keine Hormone nehmen möchten (acht Prozent). Auch die Hormonspirale ist weniger beliebt als im Report 2012. Allerdings ist keine vergleichende Signifikanzberechnung möglich, da Frauen und Männer 2012 auch über ihre oder die Verhütung des Partners befragt wurden, während sie diesmal Angaben zu selbst angewandten Methoden machen sollten. Christian Fiala sagt, man könne aber von einem "statistisch auffallenden Unterschied" sprechen. Der Gynmed-Leiter sieht zudem eine zunehmende "vollkommen unbegründete Hormonangst".

Die in der Verhütungsberatung tätige Psychologin Petra Schweiger pflichtete Fiala bei der Berichtspräsentation bei: "Dieses Phänomen wird in der Verhütungsberatung zunehmend ein Thema."

Sorge vor Nebenwirkungen

Insgesamt 13 Prozent der Frauen greifen laut Report aus Sorge vor Nebenwirkungen von Hormonen zu Methoden, die laut Pearl-Index als weniger wirksam gelten – oder sie verhüten gar nicht. Mitunter verantwortlich seien einzelne im Internet verbreitete negative Fälle, meint Schweiger. "Die Frau, die mit der Hormonspirale zufrieden ist, wird nicht im Internet ihre Geschichte verbreiten." Die Angst stehe nicht in Relation zum tatsächlichen Risiko.

Bei neueren Arten der Antibabypille ist laut Pillenreport 2015, erstellt von der Uni Bremen und der Techniker-Krankenkasse, eine höhere Gefahr für tiefe Beinvenenthrombosen gegeben. Allerdings ist die Zahl der Fälle beim am schlechtesten abschneidenden Präparat immer noch relativ gering: Sie betrifft im Schnitt 14 von 10.000 Frauen im Jahr.

"Tage zählen"

Zugleich verlieren laut Gynmed-Report auch die sogenannten natürlichen Methoden, also "Selbstbeobachtung", "Tage zählen" oder bei Männern das "Aufpassen", an Beliebtheit.

Die Mehrheit der Paare (61 Prozent) entscheidet übrigens gemeinsam über die Verhütung. Rund ein Viertel aller Befragten gibt an, sich die Kosten zu teilen. Vor allem junge Frauen kommen selbst dafür auf. Übernähme die öffentliche Hand oder die Krankenkasse Verhütungskosten, würden laut Bericht diejenigen, die bereits verhüten, zu 43 Prozent zu einer anderen, oft wirksameren Methode wechseln. "Die vorliegenden Daten ergeben, dass es in Österreich dadurch etwa 10.000 Abbrüche pro Jahr weniger geben könnte", sagte Fiala.

Gespräche darüber, so zeigte ein STANDARD-Rundruf in den für Gesundheit, Frauen und Familien zuständigen Ministerien, laufen derzeit aber nicht. Im Gesundheitsministerium hieß es außerdem, dass eine etwaige "Hormonangst" bisher noch nicht "in der Breite aufgeschlagen" sei.

Jugendliche interessiert die Anwendung

Unter Jugendlichen sind etwaige Hormonbedenken bei der Verhütung nicht das Hauptthema, sagt Wolfgang Kostenwein vom Institut für Sexualpädagogik. Am wichtigsten bei der Auswahl sei, was gut anwendbar sei. Und ganz praktische Fragen dazu: etwa, was man tun sollte, wenn man einmal die Einnahme der Pille vergessen hat. (Gudrun Springer, 6.11.2015)