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Diese Stadt ist ein Postkartenmotiv. Auf Dauer werde man aber nicht vom kulturellen Erbe allein leben können, warnen Kulturschaffende.

foto: apa/gindl

Salzburg – Nach 2003 (Graz) und 2009 (Linz) ist Österreich im Kalender der europäischen Kulturhauptstädte wieder im Jahr 2024 an der Reihe. Der Dachverband Salzburger Kulturstätten hat eine Initiative gestartet, dass sich diesmal Salzburg um den imageträchtigen Titel bewirbt. "Mit Mozart, Sound of Music und den Festspielen allein wird Salzburg nicht ewig Erfolg haben können", sagt Thomas Randisek, Geschäftsführer des Dachverbandes.

Ganz neu ist die Idee allerdings nicht. Schon für 2009 war einst eine Bewerbung in Diskussion. Es scheiterte vor allem an der Politik. Der damalige Kulturlandesrat Othmar Raus (SPÖ) lehnte die Kulturhauptstadt ab. "Ein Strohfeuer", sagt er. Und in Salzburg machte das Wort die Runde, dass man ohnehin "Weltkulturhauptstadt" sei und sich daher für den europäischen Titel erst gar nicht bewerben müsse.

Eine grobe "Selbstüberschätzung" und "Fehleinschätzung", meint dazu Tomas Friedmann. Der Leiter des Literaturhauses Salzburg ist einer der treibenden Kräfte hinter der Idee einer Bewerbung. Salzburg lebe von seiner attraktiven Lage und von seiner Geschichte. Kulturell gebe es aber mehr Reproduktion und kaum Produktion. Es gebe keine Visionen, man sei bequem geworden.

Fehlende Software

Friedmann prophezeit eine Änderung der Bedingungen: Es sei fraglich, ob Sound of Music in 50 Jahren noch Leute anziehe. Dazu komme, dass die Stadt für junge Menschen wenig attraktiv sei und eine Vergreisung drohe. Salzburg müsse sich "neu erfinden", eine neue Identität schaffen.

Dass man sich eine Kulturhauptstadt nicht leisten könne, bestreitet Friedmann. Es gehe nicht um Großbauten und nicht um ein 70-Millionen-Budget: "Die Hardware ist da. Es fehlt die Software." Er räumt aber ein, dass die 1,5 Millionen Euro, die von der EU einer Kulturhauptstadt gegeben werden, "nicht viel" seien.

Die Kulturstätten möchten mit ihrem Vorstoß einen Diskussionsprozess anregen, der bis 2018 abgeschlossen sein soll. Gemäß EU-Regeln muss Österreich dann 2018 den landesinternen Wettbewerb für die Bewerbung ausschreiben. Die Stadtpolitik hält sich zu diesem Thema mit Aussagen zurück. Nur die Bürgerliste hat bis jetzt offen ihre Sympathie für die Idee geäußert.

Mangelhafte Infrastruktur

Die Diagnose der Kultureinrichtungen deckt sich mit den Aussagen einer diese Woche von Salzburger Architekten und Sozialwissenschaftern organisierten Tagung zur Zukunft der "Mittelstädte". Der Begriff Mittelstadt beschreibt Siedlungen zwischen 50.000 und 200.000 Einwohner und oft auch sogenannte "Zweitstädte" einer Region – beispielsweise Wels im Verhältnis zu Linz.

Im Wettbewerb der Mittelstädte verliere Salzburg zunehmend an Boden, stellte der ehemalige Planungsstadtrat Johannes Voggenhuber fest. Das liege zum einen an der mangelhaften Infrastruktur wie der fehlenden Anbindung an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz; zum anderen aber auch an der Stadt selbst: Salzburg strotze nur so vor Ressourcen, die Politik vermittle aber den Eindruck, dass man es nicht notwendig habe, etwas Neues zu schaffen. Ein Beispiel von vielen sei, dass Salzburg immer noch keine echte Kunstuniversität habe. (Thomas Neuhold, 6.11.2015)