Seit Tagen wird nun die rührende Geschichte verbreitet, die FPÖ habe Susanne Winter wegen ihrer der Partei völlig unerträglichen rassistischen Gesinnung ausgeschlossen. Wäre die Frau wirklich das Opfer einer so tiefverwurzelten, aber kasuistisch dosierten Idiosynkrasie, wie die Parteiführung sie sich zuschreibt, hätte Winter gar nicht erst in die FPÖ aufgenommen werden dürfen. Kann man doch davon ausgehen, dass es ihre schon früher bekannte Geisteshaltung war, die bis zur Krönung der Mitgliedschaft mit einem Abgeordnetenmandat geführt hat, mehr als die romantische Sehnsucht nach einer blonden Bestie steirischer Fechsung, wie sie den freiheitlichen Funktionär in Zeiten der Umvolkung erfüllen mag.

Nein, es war bloß Dummheit, die Frau Winter zum Opfer einer punktuellen Säuberungswelle in der FPÖ werden ließ. Sie hat nicht begriffen, dass in einer Phase der Gegenwartsgeschichte, in der die Partei – leichtfertig eingeladen – ihre Koalitionsfähigkeit endlich unter Beweis stellen kann, gewisse Ansichten zu unterdrücken sind, sollen die Einlader nicht allzu heftig vor den Kopf gestoßen und eventuell künftige Förderer nicht von solchen Experimenten abgehalten werden. Sie hat nicht begriffen, dass man vor allem jene in der Volkspartei nicht verschrecken darf, die sich immer deutlicher für einen Wechsel von Faymann zu Strache aussprechen, und erst recht nicht, wenn die FPÖ aus einer diesem Wechsel vorausgehenden Wahl als stärkste Partei hervorgehen könnte.

So nahe durfte sich Strache dem Ziel seiner politischen Wünsche noch nie fühlen, und um das nicht zu gefährden, musste ein Exempel statuiert werden. Das ganze Gekickl von einer antisemitenreinen FPÖ kann man umso eher vergessen, als sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit heutzutage gefahrloser auf anderen Wegen und auf Kosten anderer Menschengruppen transportieren lässt. Christian Höbart, ein lupenreiner Ironiker, führt vor, wie das geht. Einen Ausschluss aus den sauberen Reihen der Freiheitlichen muss er wegen seiner lustigen Seefahrtspostings nicht befürchten, umso weniger, als er sich vom Geistesblitz treffen ließ, sie könnten auch missverstanden werden. Sicherheitshalber aber erst nach dem Posten.

Die Anregung zu solch punktueller Sauberkeit mag sich Strache bei SPÖ- und ÖVP-Politikern geholt haben. Der burgenländische und der oberösterreichische Landeshauptmann sind es ja, die die Winters in der FPÖ zwar ekelhaft und untolerierbar finden, Koalitionen mit deren Gesinnungsgenossen aber damit rechtfertigen, dass ihre Freiheitlichen ja ganz anders sind, wahre Recken der politischen Anständigkeit, an die anzustreifen kein Problem darstellt. Wäre das richtig, dann hätten diese längst für den Ausschluss der Untragbaren aus ihrer Partei eintreten müssen. Bisher ließen sie es aber an freiheitlicher Solidarität nie fehlen.

Jetzt bastelt man im Parlament aus Anlass des Falles Winter wieder einmal an Anstandsregeln. Aber ist es zulässig, Abgeordnete für Dummheit zu bestrafen? Was das andere betrifft, so sind Anstandsbastler wenig glaubwürdig, die gleichzeitig an Koalitionen mit den Verhetzern basteln. (Günter Traxler, 5.11.2015)