Regisseur Jakob Brossmann wurde doppelt ausgezeichnet.


Foto: A. Tuma

Wien – Als Publikumsfestival hat die Viennale einen Fixplatz in Wien. An diesem Umstand vermag nun auch der erste Zuschauerrückgang in der Ära Hans Hurch nicht viel zu ändern – im Vergleich zu 98.200 (2014) zählte das Festival dieses Jahr 94.100 Besucher. Die Auslastung sank um rund fünf Prozent auf 76,4 (81,7).

In anderer Hinsicht hat das Ergebnis jedoch Signifikanz. Denn wie viele andere Filmfestivals ist auch die Viennale in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. 15 Tage lang dauert der Filmmarathon inzwischen an, zahlreiche Specials kreisen wie Satelliten um den dicht gefüllten Hauptsektor des Festivals. Das ist einfach zu lang, selbst vollbeladene Tanker wie die Berlinale beschränken sich auf zehn Tage.

Die Übersicht fällt da notgedrungen schwerer. Die Crowdpleaser funktionieren, manch ein Zusatzprogramm droht allerdings in der Fülle unterzugehen. So geschah's heuer mit den sehenswerten Tributes an die US-Regisseurin Ida Lupino und den Portugiesen Manoel de Oliveira. Auch der Unwille, kuratierte Programme ordentlich zu begleiten, mit Einführungen und Diskussionen, die Lust bereiten, weitere Arbeiten zu sehen, macht sich da bemerkbar.

Warum erleichtert man dem risikofreudigen Publikum nicht die Partizipation? Gerade die vielen politischen Arbeiten legen dies eigentlich nahe – eines der wenigen Gespräche über My Nazi Legacy, das spontan aus dem Kino ausgegliedert wurde, stieß auf großes Interesse. Eine konzentriertere, offenere Viennale käme auch der Festivalatmosphäre zugute.

Traditionell wurden am Ende des Festivals Donnerstagabend auch Preise vergeben: Der Wiener Filmpreis (je 17.000 Euro) ging in der Kategorie Spielfilm an Veronika Franz und Severin Fiala für ihr luzides Horrorkammerspiel Ich seh Ich seh, der auch der österreichische Oscar-Kandidat ist. Jakob Brossmann wurde für seinen Dokumentarfilm Lampedusa im Winter prämiert, der auch den Preis der Erste Bank entgegennehmen durfte. Claudia Larcher erhielt Letzteren für ihren Kurzfilm Self.

Die STANDARD-Leserjury empfiehlt den portugiesischen Film A uma hora incerta von Carlos Saboga für einen Kinostart. Das historische Drama erzählt von Zivilcourage, Liebe und heimlichen Begierden vor dem Hintergrund der Salazar-Diktatur der 40er-Jahre. Der Fipresci-Preis ging an den syrischen Dokumentarfilm Coma. (Dominik Kamalzadeh, 5.11.2015)