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Beamte am Zaun zwischen Ungarn und Serbien. EU-Ratspräsident Donald Tusk fordert von Deutschland mehr Engagement beim Schutz der EU-Außengrenzen.

Foto: APA/EPA/ZOLTAN GERGELY KELEMEN

Berlin/Brüssel – EU-Ratspräsident Donald Tusk hat in der Flüchtlingskrise von Deutschland mehr Engagement beim Schutz der EU-Außengrenzen gefordert. Berlin müsse noch mehr tun, um die gegenwärtige Lage zu bewältigen: "Führungsverantwortung heißt auch, zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten die europäische Außengrenze zu sichern", sagte Tusk der "Welt am Sonntag".

"Ich verstehe, wenn Deutschland aus historischen Gründen Schwierigkeiten damit hat, ein strenges Regime an seinen Grenzen zu errichten", sagte der frühere polnische Ministerpräsident. "Aber europäische Führungsverantwortung heißt für Deutschland auch, die Außengrenzen Europas notfalls energisch in einer paneuropäischen Einheit zu kontrollieren." Gleichzeitig lobte Tusk aber auch Deutschlands Führungsrolle, die er als "die liberalste und toleranteste in der europäischen Geschichte" bezeichnete.

Tusk ist an diesem Sonntagabend in Berlin zu einem Gespräch mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel verabredet. Die osteuropäischen EU-Staaten, darunter Tusks Heimat Polen, haben Deutschland wiederholt aufgerufen, sich nicht nur auf die Aufnahme von Flüchtlingen zu konzentrieren sondern vor allem auf die Begrenzung des Zustroms an den Außengrenzen.

Deutschland wusste frühzeitig von hohen Zahlen

Laut "Welt am Sonntag" war die deutsche Regierung schon frühzeitig vor einem deutlichen Anstieg der Flüchtlingszahl gewarnt. Demnach rechnete der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, schon im März mit einer neuen Rekordzahl von Flüchtlingen in Europa.

"Unsere Quellen berichten uns, dass zwischen 500.000 und einer Million Migranten bereit sind, Libyen zu verlassen", sagte Leggeri demnach im Frühjahr. Im Juni erklärt der Frontex-Chef in einer internen Sitzung des Bundestages, "dass die irregulären Grenzübertritte von der Türkei nach Griechenland im Vergleich zum Vorjahr um 550 Prozent gestiegen sind". Die Zahl wurde dem Innenministerium und dem Kanzleramt in Deutschland übermittelt.

Die deutsche Vertretung im Kosovo hatte dem Bericht zufolge bereits im Februar in einer Depesche ans Auswärtige Amt gewarnt, dass "täglich 800-1000 (plus Dunkelziffer) Kosovaren" über Serbien und Ungarn nach Deutschland unterwegs seien. Bis Ende des Jahres könnten es "300.000 Personen, d.h. ein Sechstel der Gesamtbevölkerung" sein, zitiert das Blatt aus dem Schreiben. (APA, 8.11.2015)