Zwei Schritt vor und einen zurück: Von Stabilität ist das ostukrainische Donbass-Gebiet immer noch weit entfernt. An zwei Donezker Schulen war so vergangenen Dienstag mit der scheinbaren Normalität wieder Schluss – zumindest kurzfristig. Der Unterricht fiel aus. Die Außenbezirke der Rebellenhochburg waren unter Beschuss geraten. Daneben klagten die Separatisten gleichentags über Angriffe auf die Ortschaft Spartak. Der Generalstab in Kiew seinerseits berichtete von drei Verstößen gegen die Waffenruhe vonseiten der prorussischen Kämpfer.
In den vergangenen Tagen haben sich die gegenseitigen Angriffe und Provokationen gehäuft. Der seit Anfang September haltende Waffenstillstand ist zunehmend brüchiger geworden. Am Sonntag warfen sich beide Seiten vor, eine Eskalation des Konflikts vorzubereiten: Die ukrainische Armee ziehe Panzer und Artillerie hinter der Front zusammen, behauptete der "Verteidigungsminister der Donezker Volksrepublik" Eduard Bassurin.
Minsker Abkommen
"Während die ukrainische Seite sich voll an das Minsker Abkommen haltend den Abzug seiner Mörser mit einem Kaliber bis zu 100 Millimeter abgeschlossen hat, setzen die Anhänger der sogenannten 'russischen Welt' den Beschuss ziviler Ortschaften fort", konterte der Sprecher des ukrainischen Militärstabs Leonid Matjuchin und warf den Untergrundkämpfern den Einsatz von MGs, Scharfschützengewehren und Granatwerfern vor. Die Rebellen würden von Russland mit Waffennachschub versorgt, fügte Boris Kremenezki, der ukrainische Vertreter am gemeinsamen Koordinations- und Kontrollzentrum für den Waffenstillstand, hinzu.
Noch hat die jüngste Lageverschärfung glücklicherweise nicht zu neuen Opfern geführt. Doch ein weiteres Zündeln könnte schwerwiegende Folgen haben; immerhin hat der Konflikt UN-Angaben nach bisher schon mehr als 8000 Tote gefordert. Die Diplomaten hoffen, dass die vereinbarte Abrüstung zur Entspannung beiträgt. Zuletzt hatten Rebellenmilizen und Kiewer Truppen den Abzug von Mörsern vermeldet. Am Dienstag soll die Monitoringmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) mit der Überprüfung dieser Angaben beginnen. In der Vergangenheit hatte die OSZE mehrfach Verzögerungen beim Waffenabzug kritisiert.
Optimismus in Berlin
Die Außenminister des Normandie-Vierers demonstrierten bei ihrem jüngsten Ukraine-Gipfel trotz der Probleme Optimismus. "Die Gespräche waren deutlich besser, als das nasskalte Wetter hier am Tegeler See erwarten ließ", konstatierte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach den Verhandlungen, die er als "konzentriert, sehr sachorientiert und sehr kollegial" lobte.
Als wichtigste Aufgabe nannte Steinmeier die Konsolidierung des Waffenstillstands, der durch eine Ausweitung des Waffenabzugs erreicht werden soll. Daneben soll in der Konfliktzone aber auch mit der Räumung von Minen begonnen werden, die eine latente Gefahrenquelle für die lokale Bevölkerung bleiben und auch die Beobachtungen der OSZE erschweren. Bestimmte Zonen bleiben schwer kontrollierbar.
Kontrovers bleibt das Thema Wahlen im Donbass. Die Eckpunkte dazu soll die Ukraine-Kontaktgruppe in den nächsten Wochen aushandeln. Größter Konfliktpunkt ist der Umgang mit den Vertriebenen. Kiew fordert ein Wahlrecht für alle aus dem Bürgerkriegsgebiet geflohenen Ukrainer. Die Rebellen lehnen dies mit der Begründung einer möglichen Manipulation durch die Vergabe von zusätzlichen Pässen ab. (André Ballin aus Moskau, 8.11.2015)