Die ÖBB hat in der Flüchtlingskrise klug, flexibel und menschlich agiert. Sie hat den Ankommenden Unterkunft geboten und sie zügig weitertransportiert. ÖBB-Chef Christian Kern hat nicht lange nach Kosten gefragt, sondern rasch gehandelt. Das gehört anerkannt.

Es ist auch legitim, dass die Bahn nun vom Bund zumindest einen Teil der angelaufenen Millionenkosten zurückverlangt. Zwar wird hier der eigene Eigentümer angezapft, das Geld würde von einer öffentlichen Tasche in die andere fließen. Aber damit ein Konzern wie die ÖBB wirtschaftlich geführt werden kann, muss er sich auf jene Tätigkeiten beschränken, die dem Unternehmenszweck dienen. Der Gratistransport von Flüchtlingen gehört nicht dazu, das ist eindeutig die Aufgabe der öffentlichen Hand.

Deshalb ist es unfair, der Bahn das Ansuchen um Entschädigung vorzuwerfen. Allerdings hat sie bis zuletzt so getan, als würde sie die Kosten von 15 Millionen Euro selbst tragen. Auch in den jüngsten Interviews ließ Kern diesen Eindruck im Raum stehen. Als die ebenfalls privatwirtschaftlich geführte Westbahn die ÖBB wegen der eigenen Einbußen um eine Gebührenreduzierung bat, heizte die ÖBB die öffentliche Empörung darüber weiter an.

Kern ist ein Manager und kein Samariter. Er soll diese Rolle auch nicht vorspielen – selbst wenn sie seinen politischen Ambitionen dient. Das untergräbt bloß seine eigentliche Leistung in dieser Krise. (Eric Frey, 8.11.2015)