Fühlen vor: Asude Sahin, Tarik Bitar, Luana Otto (v. li.).

Foto: Robert Polster

Wien – Zu acht sitzen die Jugendlichen an weißen Tischen, malen. Weitere sieben harren im Publikum ihres lautstarken Einsatzes. Geschäftiges Klackern einer Tastatur. Ganz weiß sind diese noch zu beschreibenden Blätter, und auf Kommando lächeln sie für das Foto, schließlich muss man dabei, was immer es sei, gut ausschauen.

Ausblick nach oben heißt diese theatrale Feldforschung für Erwachsene. Und von jenem abstrakten "Oben" kommt bekanntlich nicht nur alles Gute und die Macht, sondern dorthin wollen viele auch. Also wartet die kommende Stunde mit einer Mischung aus Jobcoaching, Berufsberatung und Sozialdystopie mit Utopieansätzen auf.

Pierre Bourdieus soziales Feld, Immanuel Kants Aufklärung und die Band Deichkind (Bück dich hoch) scheinen Pate für das Unterfangen gestanden zu haben. Und das geht voll auf! Denn die entscheidenden Fragen bezüglich der Arbeitswelt sind so einfach, dass sie jedes Kind stellen kann: Wann ist Arbeit Arbeit? Was, wenn Name oder Hautfarbe zum Hindernis werden? Wann ist man frei?

Witz und Eifer

Eingangs gemalt haben sie sich selbst in 20 Jahren. Comiczeichner, Bäckerin und Astronautin lauten die Berufswünsche; weniger schöne Endstationen sind die Angst. Mohammad will Zahnarzt werden, mit uns spricht er kein Deutsch. Aber man muss ihn nicht verstehen, um zu erkennen, welchen Eifer er hat. Und wie viel Witz.

Vorurteile werden ausgespielt und Tabus gebrochen, wenn es darum geht, zu entscheiden, wer in einer Welt des bedingungslosen Grundeinkommens den Müll wegschaffen muss. Der Pole? Die Tschetschenin? Herrlich, wie reflektiert Political Correctness dabei in die Tonne gekippt wird, um aufzudecken. Was wäre aber ein Zukunftsmodell? Tauschwirtschaft? Leben wie die Ameisen?

Einkommen oder Erfüllung?

Vielleicht mag einem mancher Gedanke zu fern für sie scheinen, aber klug, locker und ungemein professionell bringen die jungen Darsteller das Ergebnis ihrer dreimonatigen Arbeit auf die Bühne! Etwa die Angst, wie man das alles mal regeln soll: Versicherung, Steuern, Zahlungen... Allen ist klar, ohne Geld ist man nix, Geld bestimmt, wo und mit wem wir uns aufhalten. Aber arbeiten wir für's Einkommen oder für die Erfüllung?

Es geht an diesem Abend um mehr als Arbeit, es geht um Lebensrealitäten und darum, wie sie verbessert werden könnten. Eindrucksvoll auf eine Weise, wie das vielleicht nur Kinder ausdrücken können. Als Sprechchor sind sie wuchtig, als Einzelne sensibel. Grandios sowohl ihr Spiel als auch ihr Gespieltes (Regie: Constance Cauers, Malte Andritter). Man wünscht ihnen, dass die Bude voll wird. Immer und immer wieder. (Michael Wurmitzer, 8.11.2015)